Miranda - so stolz und so süß (German Edition)
bedürfe, damit sie sich nach dem langen Aufenthalt in Italien in der englischen Gesellschaft zurechtfände. Er versicherte seinem Cousin, dem Duke of Belford, sie sei liebenswert und umgänglich und werde ihm nicht zur Last fallen. Zum Schluss drückte er die Hoffnung aus, sich auf ihn verlassen zu können.
Die Chaise hielt, und in Gedanken stellte Miranda sich auf die erste Begegnung mit ihren angeheirateten Verwandten ein, von denen sie bisher niemanden kennengelernt hatte. Julian hatte ihr seinen Vetter jedoch in einem so positiven Licht geschildert, dass sie davon ausgehen konnte, Leo werde sie zwar nicht mit offenen Armen aufnehmen, aber doch Verständnis für ihre Lage aufbringen und ihr behilflich sein.
Beim Anblick von Julians Witwe begriff Leo sofort, warum der Vetter diese Frau mit dem seltsamen Beinamen “die dekadente Gräfin” geheiratet hatte. Nach dieser Erkenntnis empfand er Neid, ein Gefühl, dessen er sich nicht für fähig gehalten hätte. Er fragte sich, wie der liebenswürdige Julian es geschafft hatte, diese rassige Schönheit mit dem feuerroten Haar und den glänzenden dunklen Augen für sich zu gewinnen. Und dann hielt er sich vor, es sei sehr gut möglich, dass sie den Vetter für sich eingenommen hatte.
Sie hatte eine Ausstrahlung, die Leo das Herz, von dem so viele seiner Mitmenschen glaubten, er habe es nicht, schneller schlagen ließ.
Auch sie war überrascht. Sie war so erstaunt, dass sie sogleich den frostigen Empfang vergaß, der ihr durch den ihr die Haustür öffnenden Butler zuteilgeworden war. Sie hatte angenommen, ihr Cousin werde blaue Augen haben. Nun sah sie sich bestätigt, denn sie hatten eine sie faszinierende blaue Farbe, die noch eine Spur dunkler war als die der Augen ihres verstorbenen Gatten. Es fiel ihr schwer, den Blick von ihnen zu wenden.
Leo war so groß, wie Julian das gewesen war, jedoch breitschultriger, und hatte schimmerndes schwarzes Haar. Er strahlte Kraft aus. Kein Wunder, dass Julian ihm vertraut und ihr gesagt hatte, sie könne sich auf seinen Cousin verlassen. Man musste Vertrauen zu einem Mann haben, der so imposant war und derart gut aussah.
Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass die andere anwesende Person sie angesprochen hatte. Sie wandte sich ihr zu und fragte höflich: “Wie bitte?”
Die untersetzte Mrs Fitzgibbon war das genaue Gegenteil ihres Sohns. Die einzige Gemeinsamkeit war das hellblonde Haar. Dennoch hatte Mrs Fitzgibbon eine mütterliche Ausstrahlung, die Miranda die Unsicherheit noch mehr nahm. Erleichtert sagte sie sich, nun würde doch noch alles gut.
Sie lächelte strahlend. Die Schwiegermutter reagierte darauf mit einem Stirnrunzeln und einem Kräuseln der Lippen. In ihre Augen trat ein eisiger Ausdruck. Erst in diesem Moment wurde Miranda sich der frostigen Stimmung bewusst.
“Leo ist das Oberhaupt der Familie”, sagte Mrs Fitzgibbon. “Du musst mit ihm sprechen. Ich bin noch immer so von Kummer überwältigt, dass ich nicht mit dir reden kann, Adela.”
Miranda öffnete den Mund, um der Schwiegermutter zu sagen, sie sei Miranda und nicht Adela, ihre Stiefmutter, kam jedoch nicht dazu.
“Ich befürchte, Adela, dass du die weite Reise so gut wie umsonst gemacht hast”, sagte der Herzog. “Julian war zwar sehr charmant, aber nicht reich. Ich nehme jedoch an, dass du das inzwischen weißt. Ihm gehörte ‘The Grange’, doch das Herrenhaus wurde unglaublich vernachlässigt und ist in sehr schlechtem Zustand. Keine vernünftige Frau hätte ihn nur dieses Anwesens wegen geheiratet.”
“In sehr schlechtem Zustand?”, brachte Miranda heraus. Julian hatte ihr gesagt, dass es sehr alt sei, er es jedoch liebe. Gewiss hatte er ihr kein baufälliges Haus hinterlassen.
“Nun, noch fällt es nicht in sich zusammen, Adela. Es gibt die Sage …” Abrupt hielt Mrs Fitzgibbon inne.
Miranda bemerkte den scharfen Blick, den Leo ihrer Schwiegermutter zuwarf. Sie begriff, dass ihre angeheirateten Verwandten sie ablehnten und sich gegen sie verschworen hatten, weil sie sie für ihre Stiefmutter hielten. Sie betrachteten sie als Feindin.
Leo hatte Mühe, seine Verstimmung zu verhehlen. Hoffentlich kannte Adela die Sage noch nicht, auf die seine Tante sich bezogen hatte. “The Grange” war der Glücksbringer der Familie, und es hieß, dass die Fitzgibbons aussterben würden, wenn es je in andere Hände überginge. Leo glaubte zwar nicht an diese Sage, wollte Julians Witwe jedoch nicht mit neuen Argumenten
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