Mirandas Monsterwelt
Sache. Dann versuche ich es allein.«
Miranda wußte nicht, wie sie sich entscheiden sollte. Sie schaute auf das Kreuz, sah mich an, blickte zur Tür und mußte auch meine Handbewegung erkennen, mit der ich ihr den Weg wies.
Da schüttelte sie den Kopf.
Ich aber ging zum Eingang. Miranda hatte sich eine gute Zeit ausgesucht. Der Tag verging, die Dämmerung legte sich über das weite Sumpfland, und es erwachten die Kreaturen, die am Tage in einem tiefen Schlaf gelegen hatten.
Der Sumpf lebte.
Da war ein Zirpen und Quaken zu hören. Manchmal auch ein krächzender Schrei, der über die weite, dunkler werdende und zitternde Fläche hallte und auch meine Ohren traf. Ich entdeckte zwar die Bäume, aber sie waren dabei, allmählich mit der Dunkelheit zu verschmelzen, so daß sie grotesk gespenstische Figuren bildeten, die ängstlichen Gemütern leicht Angst einjagen konnten.
Der gefährliche Sumpf hörte direkt vor meinen Fußspitzen auf. Da befand sich die Grenze, und ich ging in die Knie, um die Oberfläche mit meiner flachen Hand zu berühren.
Das Wasser war kühl, es bot mir jedoch keinen Widerstand, so daß ich die Hand tiefer in die Flüssigkeit drücken konnte.
Noch immer spürte ich keinen Widerstand. Die zähe Masse lauerte unter der Oberfläche auf Opfer, und ich würde mich hüten, tiefer hineinzufassen.
Ich drehte mich im Sitzen um. Miranda war aufgestanden und hatte ihre Arme auf die Tischplatte gestemmt. Sie schaute mir gespannt zu. Ihr Gesicht lag im Schatten. Nur die großen Augen konnte ich noch wie zwei dunkle Knöpfe erkennen.
Ich nickte ihr zu. »Passen Sie auf, Miranda! Mein Kreuz wird gegen Ihre Magie angehen.«
»Ja, versuchen Sie es.«
Noch einmal zeigte ich ihr mein Kreuz. Ich hatte die Silberkette zwischen zwei Finger genommen. Der Talisman selbst baumelte und schwang dicht über der Oberfläche.
Ich ließ ihn tiefer gleiten.
Im nächsten Moment stach er in das Wasser. Der Kontakt war da, ich wollte die Reaktion sehen, aber sie erfolgte nicht. Nur dort, wo ich das Kreuz in den Sumpf hineingetaucht hatte, leuchtete das braunschwarze Brakwasser dicht unter der Oberfläche silbrig auf und verbreitete seinen Schein etwa handbreit aus.
Mehr geschah nicht.
Ich war enttäuscht, und vernahm hinter mir das Lachen der jungen Miranda Morton. »Na, Mr. Sinclair, so stark ist Ihr Kreuz wohl nicht, daß es die Natur besiegen kann.«
Ich zog es wieder hervor. Einige Tropfen fielen noch herab und klatschten zu Boden. »Es war ein erster Versuch.«
Miranda lachte noch immer. »Und wann erfolgt der zweite?«
»Sie werden es nicht glauben. In wenigen Sekunden.«
Diese so sicher gesprochene Antwort machte sie unsicher. Miranda blieb auch nicht mehr an ihrem Platz. Sie umrundete den Tisch und kam auf mich zu. Ich hatte das Gefühl, als hätte sie sich etwas vorgenommen, denn irgendwie kam mir ihr Gang lauernder vor. »Wie wird dieser zweite Versuch denn aussehen?« wollte sie wissen.
»Das ist ganz einfach. Haben Sie schon erlebt, wie man eine weißmagische Waffe aktiviert?«
»Nein.«
»Dann schauen Sie genau zu, Mädchen!«
Sie war stehengeblieben und schaute mir über die Schulter, um alles genau erkennen zu können. Ich drehte mich im Eingang stehend der Sumpffläche zu, holte noch einmal tief Luft und sprach die alles entscheidende Formel.
»Terra pestem teneto — Salus hic maneto!«
Es waren gerade für diese Magie treffende Worte, und ich hatte sie kaum ausgesprochen, als es geschah.
Die Dunkelheit wurde aufgerissen. Wie das breitgefächerte Licht starker Scheinwerfer glitt ein grünes Licht über die Oberfläche des Sumpfs und erhellte sie mit ihrem geisterhaft fahlen Schein, wobei Büsche, Gras und Krüppelbäume ein noch gespenstischeres Aussehen bekamen und ich das Gefühl hatte, vor einer für alle Ewigkeiten erstarrt dastehenden Landschaft zu hocken.
»Du Hund!«
Ich hatte es mir selbst zuzuschreiben, was in diesem Augenblick geschah. Nie hätte ich Miranda unterschätzen sollen. Daß ich es doch getan hatte, war ein Fehler.
Der Tritt oder Schlag traf meinen Rücken, und er katapultierte mich nach vorn, genau auf die Sumpffläche zu, die bisher kein Opfer freigegeben hatte…
***
»Claudia!«
Noch einmal schrie Percy den Namen seiner Frau, während er Suko zur Seite stieß, weil er auf diesen seltsamen Spiegel schauen wollte, um sie zu sehen.
Eine Tote! Mit einem Gesicht, das lebte! Ihr Mund bewegte sich, und auch die Augen besaßen den Glanz des Lebens. Sie war
Weitere Kostenlose Bücher