Mirandas Monsterwelt
Etage lastete die Stille.
Suko, ein sehr sensibler Mensch, bezeichnete dieses Haus als normal, somit nicht vom Satan besetzt. Das Böse hätte er gespürt.
»Halt!«
Morton hatte nur geflüstert, und Suko verhielt seinen Schritt vor einer hell gestrichenen Tür. Sie war verschlossen, aber nicht abgeschlossen. Als der Chinese die Klinke nach unten drückte, schwang die Tür nach innen.
Zögernd betrat er den Raum.
Percy Morton hielt sich dicht hinter ihm. Suko spürte den warmen Atem des Mannes im Nacken. Er schaute über die Schulter zurück. Das verzerrte Lächeln auf Mortons Gesicht sprach von dessen Nervosität.
In der Mitte des Raumes blieb Suko stehen. »Nun? Fällt Ihnen etwas auf, Mr. Morton?«
»Nein.« Percy schaute sich um. »Das ist alles so normal. Als wäre sie eben nach unten gegangen, um gleich wieder hochzukommen.«
Der Ansicht war auch Suko, dessen Blicke durch den Raum glitten. Da wies nichts auf einen überhasteten Aufbruch hin. Man konnte das Zimmer als aufgeräumt bezeichnen. Auf dem Bett lagen bunte Kissen, an den Wänden hingen moderne Bilder, Blumen standen in einer schlanken Glasvase, die Vorhänge waren zugezogen, und dies machte den Inspektor mißtrauisch.
Er deutete auf den intensiv blauen Stoff der Vorhänge. »Sagen Sie, Mr. Morton, fällt Ihnen da nichts auf?«
»Ja, es ist ungewöhnlich. Ich meine, am Tage zieht man nicht die Vorhänge zu.«
»Eben.« Suko nickte. »Was mir wiederum beweist, daß Ihre Tochter unter Umständen etwas vorgehabt hat, bei dem sie keinesfalls beobachtet werden wollte.«
Percy lächelte schief. »Wenn Sie Miranda kennen würden, könnten Sie sich so etwas kaum vorstellen. Das traut man ihr einfach nicht zu.«
»Und doch muß es so gewesen sein.« Suko schritt an Morton vorbei und ging auf den Schrank zu.
»Wollen Sie ihn durchsuchen, Sir?«
»Das hatte ich vor.«
Percy schluckte. »Ich habe das Gefühl, als würde meine Tochter wie eine Gesetzesbrecherin behandelt.«
»Das stimmt nicht. Wir müssen aber auf Nummer Sicher gehen. Wenn mich nicht alles täuscht, besitzt Miranda eine Begabung, die für uns alle gefährlich werden kann.« Suko hatte den anderen während seiner Worte angeschaut und sah dessen Nicken. Dann schränkte er ein. »Ich meine, auch Sie können den Schrank öffnen, wenn es Ihnen lieber ist.«
»Machen Sie das.«
Suko tat es auch nicht gern, doch es war seine Pflicht. Irgendwo, da war er sicher, mußte es einfach einen Hinweis oder eine Spur geben, die ihn in die andere Welt der Magie führte.
Er öffnete die eine Türhälfte. Sie ließ sich leicht aufziehen, und er schaute auf die zahlreichen Kleider, die auf den Bügeln hingen.
Auf dem Schrankboden entdeckte Suko Schuhe, über den Kleidern im Fach der Ablage lagen Pullover und T-Shirts.
Morton kam näher. »Alles normal, nicht?«
»Ja.«
»Ich wußte es doch, Sir. Ich habe es wirklich genau gewußt. Alles ist ein Hirngespinst. Meine Tochter…«
»Warten Sie ab, Mr. Morton«, erklärte Suko und schloß die eine Schrankhälfte, um sich der nächsten zuzuwenden. Als er sie öffnen wollte, mußte er leider feststellen, daß es nicht klappte.
»Verschlossen«, murmelte er. »Ist das normal, Mr. Morton?«
Der Mann schaute auf Suko, sah auf den Schrank und schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht normal.«
»Habe ich mir gedacht. Dann hatte Ihre Tochter keine Geheimnisse vor Ihnen?«
»Wie sollte sie?«
Suko lächelte. »Es war nur eine Frage, der ich jedoch auf den Grund gehen möchte. Deshalb werde ich die Schranktür aufbrechen.«
Morton wollte widersprechen. Er verschluckte die Worte aber und nickte nur.
Zuviel zerstören wollte der Inspektor nicht. Er schaute sich deshalb die Tür genau an und ließ auch über das Schloß seine Blicke gleiten. Dabei stellte er fest, daß es keine Spezialanfertigung war und er es normal öffnen konnte, wenn er ein wenig geschickt war.
Suko holte ein bestimmtes schmales Werkzeug hervor, und es dauerte nur wenige Sekunden, da hatte er das Schloß offen.
Behutsam zog er die Tür auf. Wenn sie verschlossen gewesen war, mußte sie etwas verborgen gehabt haben. Einen ersten Blick riskierte Suko in den Schrank, und ihm fiel abermals nichts auf, so daß er schließlich die Tür bis zum Anschlag aufriß.
»Meine Güte!«
Morton hatte die beiden Worte gerufen. Suko schaute ihn an und sah einen zitternd dastehenden Mann, der einen Arm halb erhoben und ausgestreckt hatte, wobei sein Zeigefinger auf den Spiegel wies, der an der
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