Mirandas Monsterwelt
Tränenschleier produzierte.
Miranda schlug um sich. Sie hatte das Pech gehabt und war mit den langen Haaren in eine noch glühende Stelle gefallen, so daß sie mir plötzlich vorkam wie das Mädchen aus dem Struwelpeter, das trotz des Verbots ihrer Eltern mit Zündhölzern gespielt hatte.
Sie schrie und schlug sich mit beiden Händen gegen den Kopf, damit sie das Feuer löschen konnte.
Ob es ihr gelang, wußte ich nicht. Jedenfalls brachte sie sich aus der Gefahrenzone, und das hatte der Vampir ebenfalls vor, der die Reise unfreiwillig mitgemacht hatte.
Sein Pech war es, daß er einen langen Mantel mit Schalkragen trug. Ich hatte das Gefühl, als wollten die Blutsauger allesamt ihrem großen Vorbild Dracula nacheifern.
Als er weg wollte, schwang auch sein Mantel herum. Glühende Asche wurde von seinen Füßen in die flöhe gewirbelt, und ich streckte mich auf dem Boden liegend. Meine Arme machte ich dabei so lang, daß ich schon das Gefühl bekam, die Sehnen an den Achseln würden reißen, doch ineine Finger verhakten sich in den kreisenden Stoff des Mantelsaums und hielten eisern fest.
Der Blutsauger, auf dem Sprung nach vorn, konnte nicht mehr weiter.
Mitten in der Bewegung stoppte ihn der plötzliche Ruck. Er warf die Arme in die Höhe und drehte sich herum, weil ich ihn dazu zwang.
Auch seinen Kopf drehte er mit. Zum erstenmal konnte ich das Gesicht erkennen.
Es war grau wie Asche. Aufgerissene Augen, ein schmaler Mund, ein spitzes Kinn und natürlich sein Wahrzeichen, die beiden aus dem Oberkiefer hervorschauenden Vampirzähne.
Er blieb nicht stehen, sondern bewegte sich heftig, weil er seinen Mantel abschütteln wollte.
Meine Kraft war stärker.
Und diesmal zog ich ihn zu mir heran. Er konnte nichts dagegen machen, taumelte, ging zurück, schrie hoch und schrill auf und stolperte dabei über seine eigenen Beine, so daß er einen gewissen Schwung bekam, der ihn rücklings zu Boden drückte.
Leider fiel er nicht auf mich oder mein Kreuz, sondern in die heißen, durchbrannten und deshalb verkohlten Balken hinein, die zusammenkrachten und aus ihrem Innern einen Funkenregen in die Höhe schleuderten, der sich nur langsam senkte.
Ich kam hoch.
Der Vampir noch nicht. Auch beim Drehen behinderte ihn sein Mantel, zudem machte er den Fehler, die Arme zu bewegen und in die versteckte Glut zu schlagen, so daß plötzlich kleine Flämmchen in die Höhe zuckten.
Wie oft hatte schon eine fingerhohe Flamme einen Großbrand ausgelöst!
Hier war es kein Großbrand, aber die Kleidung des Vampirs, besonders der Mantel, wurde erwischt.
Und das Feuer war schnell.
Ich sprang zurück, denn auch mir machte die Hitze zu schaffen. Ich hörte, wie der Vampir aufschrie. Er sprang dabei auf, wollte sich verwandeln, so daß ich zusehen konnte, wie ein Schatten über sein menschliches Gesicht zuckte, aus dem das einer Fledermaus werden sollte.
Schwingen entstanden, boten eine große Fläche, die sich das Feuer nicht entgehen ließ.
Es »biß« zu.
Trotzdem schaffte es der Vampir, noch in die Höhe zu kommen. Er hob senkrecht ab, bewegte auch seine Schwingen, und ich sah ihn als ein brennendes Fanal in die Luft steigen.
Eine Hälfte bei ihm brannte lichterloh. Die andere war noch vorhanden, aber auch sie teilte sich auf zwischen dem menschlichen Aussehen und dem der Fledermaus.
Eine furchbare Mutation, um die sich die Flammen nicht kümmerten, denn sie griffen brutal zu.
Noch einmal hörte ich ihn schreien, dann streckte sich seine Gestalt. Sie sah so aus, als wollte sie noch in die Höhe steigen, doch das Feuer war so weit vorgedrungen, daß es dem Blutsauger keine Chance ließ.
Brennend fiel er in die Tiefe, schlug auf und zerplatzte in mehrere brennende Teile.
Das war der vierte — und der letzte! Den gleichen Gedanken verfolgte auch Miranda. Sie stand nicht weit entfernt und lachte. Ich schaute sie an.
Einen Teil ihrer Haare hatte sie verloren. Die Strähnen waren einfach weggeschmort, aber das konnte nicht der Grund sein für ihr Gelächter.
Sie stand da wie eine Hexe, und ihre Gestalt wurde allmählich dunkler.
Das lag an den äußeren Umständen, denn ich erkannte auch, wie sich die Farbe des Bodens veränderte und das Grün allmählich davonschwamm, so daß der Untergrund wieder seine natürliche Farbe annehmen konnte.
Mirandas rechter Arm schnellte vor, als hätte sie mit einer Peitsche zugeschlagen. »Ich habe es dir gesagt, Sinclair, ich habe es dir gesagt! Du hättest meine Monstren nicht vernichten
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