Mirandas Monsterwelt
nicht fallen lassen. Ich hörte ihr Lachen, bekam den heftigen Stoß mit und wurde zusammen mit dem Mädchen zurückgeschleudert.
Aber da befand sich der Muldenrand.
Mein dritter Schritt brachte das Verhängnis. Ich trat halb ins Leere, fiel nach hinten weg, prallte mit dem Rücken auf, spürte auch noch Mirandas Gewicht und segelte im nächsten Augenblick mich überschlagend in die Tiefe, wo sich auch noch die rauchenden und heißen Trümmer der zerstörten Hütte befanden…
***
London lag hinter ihnen!
Percy Morton, der Pilot, kannte sich im Luftraum hervorragend aus und wußte genau, wohin er zu fliegen hatte. Zudem besaß er einen hervorragenden Orientierungspunkt, nämlich die Themse, die ihre dunklen Fluten parallel zu ihrem Kurs herschob.
Gesprochen hatten die beiden nicht miteinander. Mirandas Vater war ebenso konzentriert wie Suko, zudem flog er ziemlich dicht über dem Rund. Knapp über den Kronen der Bäume.
Zur linken Hand lag der Strom. In der Nacht waren nur wenige Schiffe unterwegs. Wenn eines der tief im Wasser liegenden Containerboote fuhr, wurde es stets von den Schiffen der Wasserschutzpolizei begleitet.
Die Lichter reichten tief in die Dunkelheit hinein.
Der Flubschrauber war sehr wendig, schnell, und er besaß noch einen großen Vorteil. Das war der außen und unterhalb der Kabine angebrachte Suchscheinwerfer, der vom Cockpit aus ferngesteuert wurde. Noch hatten sie ihn nicht eingeschaltet, denn ihr Ziel befand sich einige Meilen entfernt, aber die Distanz war rasch zurückgelegt, und der Pilot nickte Suko zu, während er mit einer Hand in die Tiefe deutete.
»Dort unten liegt der Sumpf.«
Suko beugte sich nach rechts. Viel war nicht zu erkennen. Nur eine glatte, weite Fläche, die sich zu bewegen schien. Dies allerdings war eine optische Täuschung, hervorgerufen durch die über den Untergrund kriechenden dünnen Dunstschleier.
»Nebel!« rief Morton.
Suko nickte. »Damit mußten wir rechnen. Wollen Sie nicht den Scheinwerfer einschalten?«
»Sofort!« Er betätigte einen kleinen Hebel, und im nächsten Moment durchfuhr ein breiter Streifen Licht die Dunkelheit und schnitt sie auf wie ein Messer.
Der Kegel erfaßte den Boden. In seinem hellen Kreis wallten die Dunstschleier. Sie drehten sich, tanzten, bildeten Figuren und wurden auch durch den Rotorwind erfaßt und auseinandergerissen wie alte Lumpen, die zwischen kräftige Hände gerieten.
Büsche, Krüppelbäume, das dichte Gras und die Oberflächen der oft nur winzigen Sumpfteiche bekamen einen fahlen Glanz, so daß der Untergrund manchmal wie ein hauchdünn angestrichener Spiegel wirkte.
Von John Sinclair und Miranda sahen sie nichts. Dafür entdeckte Suko den Silbergrauen. »Da steht der Ben Hey.«
»Schon gesehen.«
»Sie sind also hier.« Suko atmete tief ein. Und er sah noch mehr.
Auch Percy Morton entdeckte den Schein im gleichen Augenblick. »Verdammt, das ist ein Feuer.«
Obwohl es durch Bäume und hochwachsendes Gestrüpp gedeckt wurde, sahen sie die tanzenden Flammen und sogar die dunklen Streifen, als der Rauch in die Höhe zog.
»Wissen Sie, was da brennt?« fragte Suko.
Percy Morton nickte, und seine Antwort war kaum zu verstehen.
»Wahrscheinlich ist es die Hütte meiner Tochter.« Da wurde auch Suko blaß…
***
Wir fielen, überschlugen uns, und krallten uns ineinander fest. Ich bekam Schläge mit und merkte erst nach drei oder vier Treffern, daß es nicht der Blutsauger war, der mich da traktierte, sondern Miranda Morton, die so sehr meinen Tod wünschte.
Wesentlich schneller als beim Hochlaufen ließen wir die Strecke zurück.
Ein wildes, hohes Schreien, zudem umrahmt von einem fauchenden Geräusch, begleitete unseren Weg nach unten. Es war der Blutsauger, der sich auf diese Art und weise Luft verschaffte.
Manchmal sah ich das Gesicht des Mädchens wie einen blassen, tanzenden Korken vor meinem Gesicht erscheinen, und auch ihre Stirn stieß hin und wieder gegen meinen Kopf.
Das alles nahm ich hin. Viel schlimmer war etwas anderes. Dieser widerlich scharfe Geruch, der meine Nase quälte. Gleichzeitig steigerte sich die Hitze, und dann hatten wir das Pech, genau in die heißen Trümmerreste zu fallen, die unter unserem Gewicht zusammenbrachen, so daß auch noch ein Funkenregen in die Höhe stob. Es war das Chaos im Kleinen, aber nicht minder gefährlich. Jetzt erst löste sich Miranda von mir. Ich hörte sie schreien, sah sie weghuschen, bevor Ruß in mein rechtes Auge drang und einen
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