Mirandas Monsterwelt
alles sagen. Dein Tod wird dich völlig überraschend treffen. In dieser Welt herrsche ich. Meine Mutter hat sie mir vererbt. Für Überraschungen bin ich zuständig, und ich werde auch ihr Erbe verwalten, das bin ich ihr schuldig.«
»Sie existiert nicht mehr!« hielt ich dagegen.
»Für mich schon!«
»Auch der Spiegel ist zerbrochen!«
Miranda schüttelte sich nach meinen Worten, als hätte jemand Wasser auf sie gegossen. Ich hatte einen schwachen Punkt bei ihr berührt und sah, daß sie vor Wut die Hände ballte. »Leider weiß ich noch nicht, wer ihn zerstörte. Doch ich werde es herausbekommen, und dann wird dieser andere nichts zu lachen haben, wobei ich das Gefühl nicht loswerde, daß du ebenfalls deine schmutzigen Finger in diesem Geschäft hast. Oder etwa nicht?«
»Nein, ich war hier!«
»Du bist ein Bulle. Und ich weiß, daß Bullen oft im Team arbeiten. Kann es nicht sein, daß du trotzdem…?«
»Vergiß nicht, ich bin allein gekommen.«
»Das stimmt. Nur gibt es auch technische Hilfsmittel, wie zum Beispiel Sender, die einem anderen zeigen, wo sich der Mann aufhält, um den sich alles dreht.«
»Darauf habe ich verzichtet.«
Zweifel zeichneten ihr Gesicht. Hinter ihr bewegte sich der Werwolf.
Manchmal lugte er mit seiner Schnauze über ihre Schulter, und es sah so aus, als hätte er das vorstehende Maul gegen ihr Ohr gelehnt, um es zu küssen.
Dieses Wesen gehorchte ihr sklavisch.
Hinter mir krachte die Hütte zusammen. Ich vernahm die berstenden Laute, und für einen Augenblick weitete sich das Feuer noch so aus, daß auch wir von ihm erfaßt wurden. Selbst der Werwolf bekam einen rötlichen Schein, wo ich immer noch nach einer Lücke suchte, um ihn mit einem schnellen Schuß zu erwischen.
Er und das Mädchen waren nicht ohne Grund erschienen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß die beiden nur mit mir plaudern wollten, da mußte etwas anderes dahinterstecken.
Eine Hitzewelle rollte heran. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, bald zu schmoren. Es war nur mehr das letzte Aufbäumen der Flammen gewesen, bevor die gesamte Hütte zusammenfiel und nur noch ein Funkenregen in die Höhe wirbelte.
Die Hitze verschwand, um einen Augenblick später zurückzukommen.
Aber konzentrierter. Für einen Moment wußte ich nicht, woran ich war, doch ich sah das kalte Grinsen auf dem schmalen Gesicht des Mädchens und ahnte, daß sie dabei war, mir eine Falle zu stellen.
Die Hitze hielt sich nicht nur, sie steigerte sich sogar noch. Ich spürte sie auf meiner Brust, genau an einer bestimmten Stelle, nämlich dort, wo das Kreuz hing.
Eine Warnung!
Aber vor wem?
Daß ich keine Sekunde länger stehenbleiben durfte, war mir klargeworden, deshalb sprang ich mit einem gewaltigen Satz zur Seite und drehte mich gleichzeitig um.
Es war im letzten Augenblick gewesen, denn aus den glühenden, rauchenden und noch von kleinen Flammenzungen umtanzten Trümmern der Hütte kam eine Gestalt.
Der Zyklop!
Ein menschenähnliches Wesen, eingehüllt in das violette Gewand, das ihm bis zu den Füßen reichte, mit einer Nase, einem Mund und zwei Ohren versehen.
Aber nur mit einem Auge!
Es strahlte dunkelrot und kam mir vor wie ein Gruß aus tiefster Hölle, den mir der Teufel entgegenschicken wollte. Auf einmal wußte ich Bescheid, daß es der Zyklop gewesen sein mußte, der die Hütte in Brand gesetzt hatte.
Sein Auge besaß die Fähigkeit!
Und es würde auch vor mir nicht haltmachen, dessen war ich mir sicher.
Er kam näher, er starrte mich an, und ich schaute genau in das dunkelrote Oval.
Fremde Gedanken wollten in mein Hirn eindringen, ich schüttelte sie jedoch ab und war froh darüber, daß es mir noch gelang. Doch auch die Stimme des Mädchens war zu vernehmen. Sie klang nicht mehr weich, die Worte wurden hektisch ausgestoßen. Sie zeugten davon, unter welch einem Druck auch Miranda stand.
»Das Ende, Sinclair. Jetzt wird dein Ende kommen. Du mußt dich für einen von uns entscheiden. Versuche es! Schieß ihm eine Kugel ins Auge. Versuche es nur. Ich glaube nicht, daß es dir gelingen wird.«
Das war auch schwer, denn der Zyklop kam näher, und ich hatte das Gefühl, als würde mein Kreuz allmählich so heiß werden, daß es die Kleidung durchbrannte.
Noch fing es die Hitze des Auges ab. Viel länger würde es dies nicht schaffen.
Ich entschied mich.
Das Mädchen schaute zu, wie ich die Beretta verschwinden ließ. Ich blickte sie dabei an, sah ihren fassungslosen Ausdruck auf den Zügen
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