Mirandas Monsterwelt
ich eine weitere Erklärung verlangte.
»Ich habe alles gesagt!«
»Dann gehen wir.«
»Bitte.«
Noch hielt der Sumpf, aber ich wollte auch nicht über die vor mir liegende Fläche laufen, sondern den Weg nehmen, den wir gekommen waren. Ein sehr großes Risiko, denn da war es noch heller Tag gewesen, während wir nun durch die Dunkelheit schreiten mußten.
Ich wunderte mich darüber, wie widerstandslos sich Miranda anfassen und herumdrehen ließ. Bereitwillig ließ sie sich führen, und es störte sie auch nicht, daß ich meine Hand unter ihren Arm schob und den Ellbogen umklammerte.
Wir gingen nebeneinander her. Das Mädchen schaute zu Boden und ging roboterhaft. Ab und zu umspielte ein flüchtiges Lächeln ihre Lippen.
Heckte sie irgend etwas aus?
Ich wurde von einem äußeren Ereignis abgelenkt, denn wir mußten nahe an den schwelenden Teilen der Hütte vorbei, die nicht allein atemraubenden Qualm abgaben, sondern auch Hitze abstrahlten. Letzte Astreste und kleinere Balken glühten noch in einem düsteren Rot, während der Wind die Ascheteilchen hochschleuderte und wie schwarze Schneeflocken hochschleuderte und über die Trümmer trieb.
Meine junge Begleiterin hatte dafür keinen Blick. Sie schritt neben mir her und ließ sich sogar von mir führen. Wo sie mit ihren Gedanken war, konnte ich nur raten. Möglicherweise sehr weit weg. Vielleicht auch bei ihrer Mutter, über deren Tod sie noch längst nicht hinweggekommen war.
Auch diese Gegend hatte sich durch die Magie meines Kreuzes verändert. Niemand von uns sank ein, wir schritten über einen völlig normalen Boden, aber die Dunkelheit machte es doch schwer, etwas zu erkennen, und deshalb holte ich meine kleine Lampe hervor, um vor unsere Füße zu leuchten. Viel brachte es nicht. Der Strahl war einfach zu schwach. Hinzu kamen die dünnen, über den Boden kriechenden Nebelschleier, die den schmalen Strahl der Lampe schluckten.
Wir schritten den Rand der Mulde hoch. Schräg über uns bewegten sich die Zweige der Sumpfbüsche und die dicht stehenden Halme des Grases im Nachtwind.
Der Vampir hatte sich nicht gezeigt. Auch jetzt nicht, als wir den Rand der Mulde erreichten. Da der Wind aus einer anderen Richtung wehte, trieb uns der Rauch der Hüttentrümmer entgegen.
Miranda hielt an. »Wohin?« fragte sie.
»Zu meinem Wagen.«
Sie lächelte. »Wollen Sie mich nach London schaffen?«
»So ist es. Wir fahren in deine Wohnung, Mädchen, und schauen uns den Spiegel an.«
»Er ist zerstört«, sagte sie.
»Das will ich ja eben feststellen.«
Plötzlich wurde ihr Blick starr. »Ich… ich… habe es genau gespürt.« Sie deutete mit dem Zeigefinger auf sich, denn sie hatte die Hand gedreht.
»Ja, das habe ich gespürt. Sehr genau sogar. Und niemand kann meine Ansicht darüber ändern. Auch du nicht, verdammter…!« Plötzlich stieß sie eine Hand gegen meine Brust und hätte mich fast ins Stolpern gebracht, denn der Muldenrand war ziemlich nah.
»Laß das!«
Sie lachte nur, ließ sich auf den Boden fallen und breitete die Arme aus.
»Ich will dir eines sagen, verdammter Bulle. Wenn du mich zum Wagen schaffen willst, mußt du mich hier wegtragen. Von allein gehe ich nicht.«
Ich verzog das Gesicht. Mir blieb auch nichts erspart. Nicht allein, daß ein blutrünstiger Vampir irgendwo im Hintergrund auf mich lauerte, nein, auch Miranda wollte nicht so wie ich, und es sah tatsächlich so aus, als wäre ihr Entschluß unumstößlich.
Ich ging auf sie zu. »Glaub nur nicht, daß ich das nicht machen würde.«
»Versuche es.«
Sie hätte auch nicht gehorcht, wenn sie mit der Beretta bedroht worden wäre, so blieb mir tatsächlich nichts anderes übrig, als sie unter die Achselhöhlen zu fassen und hochzuziehen.
Eine lächerliche Situation, doch mir war verdammt nicht nach Lachen zumute.
Miranda machte sich schwer. Dabei lachte sie noch leise, und als sie auf den Füßen stand, ging ich in die Knie, um sie über meine Schulter zu legen.
Das ließ sie wehrlos über sich ergehen. Das Mädchen war nicht schwer, doch bei der Länge des Weges würde ich sehr bald ihr Gewicht zu spüren bekommen.
Ich hatte vor, den Weg einzuschlagen, das gelang mir nicht mehr, und ich kam auch zu spät darauf, daß mich Miranda nur von den eigentlichen Dingen hatte ablenken wollen, denn in unserer Nähe lauerte der Vampir.
Er war keine Fledermaus mehr, sondern hatte sich verwandelt und schoß plötzlich aus dem Dunkel der Büsche hervor.
Ich konnte Miranda so schnell
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