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Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Titel: Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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trostreiche Wirkung von Erdnussbutter??!
     
    Leider fing Markus bald wieder an, in die Hosen zu machen. Er sagte: „Ich bin doch noch ein Baby, ich brauche eine Mama.“
     
    Martin zeigte plötzlich schwere Verhaltensauffälligkeiten. Er war oft aggressiv, biss, schrie, trat um sich und schlug zu, bei der kleinsten Frustration. Auch die Sprachentwicklung verzögerte sich deutlich.
    Je wilder Martin wurde, umso stiller wurde Markus. Sogar seine Sprache wurde undeutlich.
     
    Der Herbst war schwierig für uns. Martin hörte auf zu sprechen und gab sich ganz dem Jähzorn hin. Auf dem Spielplatz waren wir untragbar geworden, weil er alle Kinder biss und schlug, die ihm zu nahe kamen oder nicht taten, was er wollte. Er störte auf sehr destruktive Weise die Spielgemeinschaft und war nicht zu erziehen. Die Nachbarschaft fing an, über uns zu lästern und gab „gute Ratschläge“ wie: Verprügeln Sie das Kind nach Strich und Faden! oder: Bissige Hunde gehören eingesperrt und Ihr Sohn auch!
     
    Gott, wie gemein! Ich war so empört! „Bissige Hunde gehören eingesperrt und Ihr Sohn auch!“ Wie konnten diese Leute nur Prügel und Isolation erwarten? Und das der Mutter auch noch einfach so ins Gesicht sagen? Ob Frau Mertens sich dagegen gewehrt hatte? Ich suchte nach Hinweisen darauf, aber nein, sie schrieb:
    Ich war verunsichert, beschämt, traurig. Auch zum Mutter-Kind-Turnen bin ich nur ein einziges Mal gegangen, weil Martin sich nicht in die Gruppe einfügte, nichts mitmachte, sondern nur wild durch die Halle lief. Die dummen Bemerkungen der anderen Mütter auf der Bank am Rande (sie wussten nicht, dass das mein Kind war) nahm ich mir sehr zu Herzen.
    Dadurch, dass ich mich aus allem zurückzog, isolierte ich auch Markus von der Gemeinschaft, aber ich hatte nicht den Mumm, immer nur negativ aufzufallen. Kein Wunder, dass Markus erst als 7jähriger richtige Spielkameraden fand.
     
    Also hatte sie sich nicht gewehrt, sondern gleich den Rückzug angetreten. War sie denn gar nicht wütend gewesen? Oder hatte sie vielleicht gar nicht mehr die Kraft für Wut aufbringen können?
    Es folgte eine Schilderung über nächtliche Pseudokruppanfälle, die beide Söhne zur selben Zeit hatten. Gott, wie furchtbar beängstigend musste das gewesen sein? Sie tat mir leid. Wie gut, dass in der schlimmsten Nacht ihr Mann zuhause war und der Kinderarzt schnell genug zu ihnen nach Hause kam. Was genau war eigentlich „Pseudokrupp“? Ich nahm mir vor, diese Bildungslücke bald zu schließen.
    Zwei Seiten weiter kam endlich ein Hinweis auf „Wut“ (Wieso war mir das eigentlich wichtig? Suchte ich nach Ähnlichkeiten zwischen uns?)
     
    Als Martin mich zum elften Mal (!) aus dem Schlaf riss, bekam ich richtige Herzbeschwerden und eine Mordswut – ich schrie ihn an, er würde nie wieder nachts eine Flasche Saft bekommen und er solle mich um Himmels Willen schlafen lassen. Ich knallte die Kinderzimmertür zu und ließ ihn schreien und weinte mich in den Schlaf.
    Gleichzeitig war ich auf meinen Mann böse. Er hatte mich in all den Jahren mit diesem Schlafproblem allein gelassen. Er bestand auf seiner Nachtruhe, weil er ja Auto fahren musste und im Werk Maschinen bedienen. Sachlich gesehen, hatte er Recht. Aber dass meine Gesundheit auf dem Spiel stand, das wollte er nicht sehen.
     
    Sie konnte also doch Türen knallen. Gut für sie! Ein paar Seiten später kamen kritische Gedanken über ihr eigenes Verhalten.
    Ich frage mich heute, viele Jahre später, wieso ich nicht in der Lage gewesen war, frühzeitig klare Grenzen zu setzen und auf mich selber auch aufzupassen. Woher hatte ich nur dieses geringe Selbstwertgefühl und diese fatale Neigung, mich aus lauter Liebe zu meinen Kindern förmlich aussaugen zu lassen? Immer nur geben, geben, geben...
    Wo lag die Ursache in meiner Psyche? Warum nur dachte ich, ich sei eine unfähige Mutter? Allerdings dachte meine Familie (Mutter, Schwestern...) ja auch so über mich, wie ich Jahre später erfuhr.
    Sie fragten sich immerzu, wieso ich die Erziehung des Kindes nicht in den Griff bekam. Nicht einer kam mal auf die Idee, es könne am Kind liegen (und ich traute mich noch nicht, diesen Gedanken an eine seelisch-geistige Behinderung in letzter Konsequenz zuzulassen oder gar auszusprechen! Nein, nein. Die Ursache „musste“ ja klar bei mir liegen, in meinem Versagen. Der Haushalt war ungepflegt, der Ehemann unzufrieden, die Kinder entwicklungsverzögert – ergo: Die Mutter war schuld, wer

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