Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Nachbarort, also musste auch Markus nun täglich Bus fahren, und dabei wurde ihm immer übel! Keine Fahrt ohne Spucktüte! Oje...
Der Winter verlief eher ruhig. Außer mehrmals täglichem Einnässen und Einkoten von Martin und diversen kaputten Spielzeugen hatten wir nichts zu beklagen.
Elf Wochen am Stück mit zwei kranken Kindern! Meine Güte, das war ja fast ein Vierteljahr! Ich hatte mal ein Wochenende lang ein krankes Nachbarskind gehütet. Danach war ich fix und fertig gewesen! Wie hatte Frau Mertens das wochenlang durchgehalten? Nein, ich musste mich korrigieren: monatelang! Wie?
Im kommenden Frühling ging Martin total auf Konfrontationskurs und machte den Erzieherinnen im Lebenshilfekindergarten das Leben schwer. Er verweigerte morgens schon das Frühstück, weinte, wollte nicht in den Bus und widersetzte sich allem, was der Kindergarten bot.
Bald darauf eskalierte die Situation auch zuhause. Er benutzte seine Ausscheidungen, um uns seine Wut und seine Not zu zeigen. Er machte neben dem Klo stehend mit Absicht die Hosen voll und pinkelte sich kurz darauf pitschnass, weigerte sich, sich umzuziehen oder sich gar waschen zu lassen. Nicht nur er stank – auch die Wohnung stank mittlerweile!
Ich wurde als Reaktion auf diesen Stress immer dicker, mein Mann immer grimmiger und Markus immer schwieriger im Verhalten.
Wen wundert es?
Also, mich wunderte es, dass sie nur dicker wurde und nicht Amok lief. Was war das denn für ein Leben? Wie sie weiter schrieb, konnte sie nicht mal mit den Kindern auf den Spielplatz gehen, ging nur in den Garten nach draußen oder blieb zuhause. Das war ja Isolation pur, allein der Gedanke deprimierte mich schon.
So war es unmöglich, ins Sozialgefüge zu kommen. Wir alle, die ganze Familie, rutschten immer mehr in die Außenseiterposition und hatten auch bald gar nicht mehr den Wunsch, uns zu integrieren. Wir lebten isoliert von einem Tag zum anderen und waren froh, am Abend schlafen gehen zu können, denn nur nachts im Schlaf fanden wir „Vergessen“, es sei denn, Alpträume plagten uns.
Der Tag war für mich absolut negativ besetzt, nur die Nacht, die Dunkelheit und Stille verhieß, war mein Halt.
So tief kann man sinken. Durch so ein Dasein kann man jedwede Lebensfreude verlieren. Immerhin waren wir seit fünf Jahren im Dauerstress, im Ausnahmezustand.
Nein, das konnte und wollte ich mir nicht vorstellen, ich schottete mich innerlich beim Lesen ab. Ich glaubte ihr aber aufs Wort. Es war nun wieder ein Gedicht eingefügt, und ich hoffte, dass dieses sich nicht in meine Träume einschleichen würde.
Mehr als nur Schlaf
Schlaf, süßer Schlaf
warum verbirgst du dich vor mir?
Findest keinen Einlass du,
um mir zu bringen die ersehnte Ruh?
Schlaf, begehrter Schlaf
du kamst doch früher gern zu mir!
Ich legte mich nur ins Bett
und schon warst du hier.
Schlaf, vertrauter Schlaf
wir gingen zusammen auf Reisen
ins Traumland so tief
und kehrten zurück, wenn der Tag uns rief.
Schlaf, untreuer Schlaf
warum hältst du dich fern?
Bin ich dir fremd geworden,
hast du mich nicht mehr gern?
Schlaf, du feiger Gesell!!!
Vereine dich mit mir schnell!
Das Traumland ruft -
ohne dich kann ich nicht
dorthin.
Wer sonst soll mir sagen,
wer ich bin?
Schlaf, lieber Schlaf
nun führ mich doch hin!
Ich muss mich stellen
den schwarzen Gesellen.
Schlaf, unsichtbarer Schlaf
Dir kann doch nichts geschehen.
Du brauchst mich nicht einmal verstehen.
Führe mich nur hin und harre mit mir aus -
bis der Tag uns ruft.
Schlaf, süßer Schlaf
ich fühle dich kommen,
hab Dank für deine Mühe
Komm, nimm meine Hand,
führe mich ins träumende Land.
Schlaf, guter alter Freund
jetzt waren wir lange dort, wo man träumt.
Hörst du, wie der Tag uns ruft?
Jetzt wird alles wieder gut.
Jetzt brauchte ich erst mal eine Pause. Ich legte das Ringbuch weg und machte mir den Fernseher im Wohnzimmer an. Es lief eine Wiederholung von „Stargate“ und ich ging mit SG 1 auf Reise ins Weltall.
Morgen war ja auch noch ein Tag.
Mira Mertens saß bei Kerzenschein und einem Glas Rotwein in ihrem roten Fernsehsessel im Wohnzimmer. Es war genau diese leere Stunde zwischen Feierabend und Schlafenszeit, in der sie sich einsam fühlte und ihren Mann am meisten vermisste. Ihre Gedanken reisten dann in die Vergangenheit und sie durchlebte schöne Erinnerungen. Die schlechten, die gab es auch, sogar zahlreich. Aber wozu
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