Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
die spiralförmig um eine imaginäre Längsachse wirbelten. Hm… Was sollte das denn sein? Mira hörte auch ein leises Knuspern.
Leider kam ihr immer noch kein Geistesblitz, das ärgerte sie so richtig. War sie denn schon so verkalkt? Mira spürte, wie ihr Engel sie sanft rügte, wegen der Selbstvorwürfe.
Dann fügte er einen Duft nach geschmolzenem Käse hinzu. „Oh ja, jetzt weiß ich es! Ich weiß es!“ Erfreut schrieb sie „Blätterteigstangen“ auf ihr Notizblatt. Manfred, der Aurafotograf mochte sie so gerne, und die waren so schnell gemacht.
Bevor das Spiel weitergehen konnte, wurden sie unterbrochen. Es klingelte jemand ungeduldig an der Tür. Wer mochte so früh vorbeikommen? Es war erst halb sieben! Ächzend stand sie auf und schob den Stuhl vom Tisch zurück, stützte sich mit einer Hand auf der Lehne kurz ab und ging dann langsam über die Diele zur Tür. Diese Morgensteifigkeit! Dieses Rheuma! Es war nicht leicht, alt zu sein.
Als sie zur Türklinke griff, „wusste“ sie schon, dass Melissa vor der Tür stand, sie fühlte es. Auch, dass Melissa jemanden mitgebracht hatte, dessen Not groß war.
Ich parkte vor dem Gartentor und sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Mira zu Hause sein möge. In meiner Aufregung hatte ich ganz vergessen anzurufen und war einfach drauflos gefahren. Zu meinem Leidwesen regnete es auch noch! Musste das jetzt sein? Mühsam dirigierte ich meine Mutter zum Hauseingang und klingelte Sturm, bis geöffnet wurde.
„Mira! Sie sind da! Ich wusste nicht, wohin ich sonst hätte gehen können.“ Ich hatte meine Mutter im Arm, die wieder sturzbetrunken war. Es war mir abgrundtief peinlich, aber ich wurde mit der Situation nicht alleine fertig.
Frau Mertens erfasste die Lage mit einem Blick. „Kommt rein, alle beide.“
„Danke. Mira, darf ich vorstellen, das ist meine Mutter, Frau Johanna Fink. Mama, das ist Frau Mertens!“
„Ah ja“, lallte sie. „Deine Ssigeunerhexe, richtig?“
„MAMA!“
„Es tut mir leid, Mira, sie ist heute nicht sie selbst. Ich bitte um Entschuldigung.“
„Schon gut, Kleines.“ An meine Mutter gewandt, sagte sie freundlich: „Frau Fink, ich lade Sie zu einer Tasse Kaffee ein, was halten Sie davon?“
Immerhin widersprach meine Mutter nicht, sie nickte müde und hatte Mühe, ihre Augen offen zu halten. Ich führte sie in die Küche. Heute Morgen, in aller Herrgottsfrühe, hatte ich sie dabei erwischt, wie sie auf dem Badewannenrand mit einer Flasche Hennessy ihren Kummer runterspülte. Sie weinte unaufhörlich und brabbelte immer: „Ich halte das nicht aus, ich halte das nicht mehr aus!“ Ich wusste nicht mehr ein noch aus, war völlig kopflos gewesen, dachte nur fieberhaft: Wer kann helfen? Wer kann helfen? Meine einzige Antwort lautete: Mira.
Aber jetzt, da ich hier war bei Mira, dieser lieben, alten Dame, da wurde mir bewusst, was ich ihr alles mit uns aufbürdete! Wie kam ich nur dazu? Dazu hatte ich nicht das Recht.
„Mira, es tut mir so leid, mir wird jetzt klar, dass ich Sie nicht mit hineinziehen sollte in die Probleme meiner Mutter. Aber ich wusste nicht, wohin mit ihr. Ich muss doch in die Redaktion, heute ist ein wichtiger Tag auf der Arbeit. Mutter steht völlig neben sich. Und einen Arzt hat sie abgelehnt.“
„Geh mir weg mit Ärzten! Die sperren mich ja doch nur ein“, fauchte meine Mutter und nippte dann wieder an ihrem Kaffee.
Mira schaute mich ernst an. „Melissa, Sie können beruhigt zur Arbeit fahren. Mein Engel hat mich eben Einblick nehmen lassen in die Ereignisse von heute Morgen und gestern Abend. Er sagt, er hätte sie beide hierher geführt, mit der Hilfe und dem Einverständnis Ihrer eigenen Geistführer und Schutzengel. Ihre Mutter ist hier sicher. Wir wissen, was zu tun ist.“
Ich schaute zweifelnd. „Wirklich?“
„Wenn Frau Fink einverstanden ist?“ Mira schaute meiner Mutter in ihre rot unterlaufenen Augen, die seelenwund und stumm Antwort gaben. Ein kaum sichtbares Nicken mit dem Kopf bestätigte das „Ja“.
„Wo sollte ich auch schon hin? Sylt ist weit und mein Zuhause, das sind nur leere Räume. Selbst meine eigene Tochter schiebt mich ab. Bring mich doch gleich auf den Friedhof!“
„Mutter! Nun sei doch nicht so gemein. Ich tue mein Bestes. Dein Selbstmitleid hilft uns nun auch nicht weiter.“ Meine Nerven waren bis aufs Äußerste angespannt.
„Gehen Sie nur, Melissa. Holen Sie Ihre Mutter heute Abend wieder ab. Ich bin sicher, sie hat sich bis dahin wieder
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