Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
sollten jetzt ruhig schlafen. Es würden alle warten, die sich Ihnen mitteilen wollen, diese hätten ja „alle Zeit der Welt“. Er sagt das mit einem Augenzwinkern, denn in der geistigen Welt gibt es ja keine Zeit, wie wir Irdischen sie kennen. Aber viel Humor und Liebe! Ich bringe Sie jetzt zum Gästezimmer, Sie können dort so lange ruhen, wie Sie möchten. Die Engel werden Ihren Schlaf bewachen.“
Johanna folgte Mira ins Gästezimmer. Sie war erschöpft, so grenzenlos erschöpft und von ihren Gefühlen überwältigt.
„Übrigens hat Ihre Melissa hier auch schon geschlafen. Sie ist eine liebenswerte junge Frau. Ich freue mich, dass ihr Lebensweg sie zu mir geführt hat. Und nun darf ich auch noch ihre Mutter beherbergen. Im Grunde ist es Gottes Gästezimmer, nicht meines. Nun ja, ich komme ins Schwätzen. Sie brauchen aber Schlaf. Ich bin im Haus, falls Sie etwas brauchen.“
Mira zog sich zurück und Johanna fiel fast augenblicklich in einen tiefen Schlaf.
Als ich in der Redaktion war, hielt meine entspannte Zuversicht leider nicht sehr lange an. Meine Gedanken kreisten nur um meine Mutter. Ich konnte es nicht fassen, dass sie sich dermaßen zugeschüttet hatte. So kannte ich sie nicht! Oder hatte sie all die Jahre heimlich getrunken und ich hatte es nie bemerkt? War sie etwa eine Alkoholikerin?
„Melissa, was ist? Träumst du?“ Erika schaute mich streng an. „Wir müssen den Artikel in einer halben Stunde fertig haben! Du weißt doch, wie Linda in letzter Zeit ist. Sie macht uns die Hölle heiß, wenn wir nicht schnell genug sind.“
Soll Linda doch selbst zur Hölle fahren, dachte ich. Meine Welt bricht zusammen: Erst werde ich von Hardy in die Wüste geschickt und dann versucht meine Mutter, sich mit Alkohol zu trösten. Meine Versuche, eine passende Wohnung zu finden, waren bisher auch im Sande verlaufen. Mein Privatleben beeinträchtigte meinen Job, das musste ich zugeben, ich war nicht gut darin gewesen, meine privaten Probleme „zuhause zu lassen“. Das zeichnete aber eine gute Journalistin aus, dass sie sich stets auf das Naheliegende konzentrieren konnte. Der Konkurrenzdruck war groß! Die Erwartungshaltung der Redaktionsleitung auch. Es herrschte ein harter Kampf ums Überleben auf dem Magazinmarkt, das konnte niemand leugnen.
Wie es Mutter jetzt wohl geht? Kommt Mira mit ihr klar? Was hatte ich nur getan, als ich die beiden allein ließ? Wieder schweiften meine Gedanken ab.
Gegen Mittag ging ich unauffällig in den leeren Meeting-Raum und nahm mein Handy heimlich mit. Ich drückte den Kurzwahlknopf „Mira M.“ und wartete ungeduldig darauf, dass sie den Hörer abnahm. Ich musste mich einfach vergewissern, dass alles unter Kontrolle war.
„Hier Mertens.“
„Mira, ich bin es, Melissa! Wie sieht es bei euch aus, alles soweit in Ordnung? Ich mache mir Vorwürfe, dass ich meine Mutter einfach bei Ihnen abgeladen habe.“
„Oh, Schätzchen, machen Sie sich keine Sorgen. Ihre Mutter schläft seit drei Stunden. Sie braucht etwas Ruhe. Der Himmel wacht über uns.“
„Wenn ich doch nur Ihre Zuversicht teilen könnte, Mira! Mir wird jetzt erst so richtig bewusst, in welcher Gefahr meine Mutter ist. Warum hat sie sich das nur angetan? Ist sie etwa dem Alkohol verfallen?“
Ich fing an zu weinen, meine Nerven flatterten.
„Liebes, alles wird gut! Davon bin ich überzeugt. Wenn Sie Ihre Mutter nach Feierabend abholen, wird es ihr besser gehen. Die geistige Welt hat mir viele Bilder und Worte für Ihre Mutter geschickt, die ich an sie weitergeben werde. Glauben Sie mir ruhig, es ist alles innerhalb der göttlichen Ordnung heute, Sie haben richtig gehandelt. Wir können immer nur das tun, was auch in unserer Macht steht, alles andere soll nicht unsere Sorge sein. Das „Übergroße“ sollten wir Größeren als wir es sind überlassen. Wir dürfen das und müssen nicht alles allein durchstehen. Ja, ich glaube „dürfen“ ist jetzt eine gute Wortwahl.“
„Mira, danke. Für alles. Ich muss jetzt Schluss machen. Es kommt jemand.“
Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht und huschte in die angrenzende kleine Teeküche, als die Tür zum Meeting-Raum geöffnet wurde. Konnte man hier denn nicht eine Sekunde mal allein sein? Ich hatte keine Zeit mehr, die Küchentür fest zu schließen, das hätte man gehört.
Immerhin war hier eine Küchenrolle, von der ich mir sofort vorsichtig ein Blatt abriss und meine Nase damit ganz leise schnäuzte. Wer auch immer im Meeting-Raum war,
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