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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Diese Vermutung sprach dafür, den Apparat einfach läuten zu lassen. Andererseits war es aber auch möglich, dass sich am anderen Ende der Leitung einer seiner Vorgesetzten befand. Der würde dann registrieren, dass Bronstein schon während der Dienstzeit seinen Arbeitsplatz verlassen hatte. Natürlich könnte er sich später damit rechtfertigen, mal eben kurz am Lokus gewesen zu sein, doch naturgemäß hielte das jeder für die bloße Schutzbehauptung, die es ja auch war.
    Bronstein biss also die Zähne zusammen und hob ab.
    »Einen guten Tag zu wünschen«, vernahm er eine Frauenstimme, »Amtsrat Grettler, Jugendgericht hier.« Die Frau verstummte.
    Bronsteins graue Zellen begannen zu arbeiten. Musste er diese Person kennen? Offenbar ging sie davon aus, dass er wusste, wer sie war, denn anders war ihr Innehalten nicht zu deuten. Grettler? Grettler? Wo war ihm dieser Name bloß schon einmal untergekommen?
    »Bin ich da richtig bei Major Bronstein?«
    »Äh, ja!«
    »Na, David, kennst mich nimmer?«
    Bronstein begann trotz der tiefen Temperaturen zu schwitzen. Solche Situationen hasste er noch mehr als den Winter. Wenn er bloß einen Hinweis bekäme, wo er diese Grettler einreihen sollte. Jugendgericht? Damit hatte er ja noch nie etwas zu tun gehabt.
    »Als wir uns zuletzt gesehen haben, war ich noch bei der Finanzprokuratur«, gab Grettler nun gnädigerweise tatsächlich einen Denkanstoß. Und der tat seine Wirkung. Im Zuge der Genfer Sanierung war er im Vorjahr mit den Finanzern in Kontakt gekommen. »Moni?«, fragte er daher zaghaft.
    »Genau«, schallte es ihm lachend entgegen, »das hättest dir jetzt auch nicht gedacht, was?«
    »Na ja«, meinte er entschuldigend, »von der Finanz zur Jugend ist es schon ein großer Sprung.«
    »Ja, weiß ich eh. Aber darüber reden wir ein anderes Mal. Ich ruf dich nämlich wegen einer etwas pikanten Sache an. Ich weiß, du bist eigentlich beim Mord, aber vielleicht kannst du mir trotzdem helfen.«
    »Um was geht’s denn?«, entgegnete er aufgeräumt.
    Die Grettler hielt abermals eine kleine Weile inne. Offenbar musste sie sich erst sammeln, was darauf hindeutete, dass die Angelegenheit in der Tat pikant sein musste.
    »Schau«, begann sie endlich vorsichtig, »ich hab’ da eine komische G’schicht’ am Hals, und ich bin mir nicht sicher, wie ich da weiter vorgehen soll.«
    »Na«, ermunterte sie Bronstein, während er mit der freien Hand eine Zigarette aus seinem Etui fingerte, »dann erzähl’ mir das Ganze einfach einmal, und ich sag’ dir dann, was ich mir dazu denk’.«
    »Beim mir im Vorzimmer sitzt eine Frauensperson mit einem jungen Mädel an der Hand. 13, heißt’s, ist sie. Also die Kleine, mein’ ich. Und die ist angeblich von ihrer Lehrerin verprügelt worden.«
    Bronstein hatte sich die Zigarette in den Mund gesteckt und rieb nun unter komplizierten Verrenkungen ein Streichholz an. Endlich brannte die Zigarette. Er sog den Rauch ein und blies ihn sodann wieder genüsslich aus.
    »Also, bis jetzt klingt das für mich eher nach einem Fall für die Schulaufsicht, oder nicht?«
    »Nein«, widersprach die Grettler, »es geht um eine Privatlehrerin.«
    Bronstein verstand immer noch nicht, worauf die Frau hinauswollte. Derartiges kam immer wieder vor, war mithin tagtägliche Routine. Wenn die Züchtigung über das übliche Maß hinausgegangen war, dann mochte man Anzeige gegen die Lehrerin erstatten, und dann gingen die Dinge ihren Weg. Was, so fragte sich Bronstein also, war daran pikant? Mit Fällen wie diesem war die Grettler sicherlich ständig konfrontiert. Dafür brauchte sie ihn also gar nicht erst anzurufen.
    Er räusperte sich vernehmlich ins Telefon. »Liebe Moni«, sagte er dann, »mir ist irgendwie nicht ganz klar, wo das Problem liegt. Wenn sie’s übertrieben hat, die Lehrerin, dann zeigt sie halt an wegen Kindesmisshandlung. Sie verliert ihre Lehrberechtigung, die Kleine kriegt ein Schmerzensgeld, und die ganze G’schicht’ ist g’hoben.«
    Die Grettner druckste herum. »Glaub’ mir, so einfach ist die Sache nicht. Was ich da gehört hab’, das klingt so ungeheuerlich, dass wir nicht einfach jemand von der Fürsorge dorthin schicken können. Das hat, glaub’ ich, gröbere Ausmaße.«
    »Na, dann musst du mir die aber auch schildern«, erklärte Bronstein.
    »Das will ich ja. Aber nicht am Telefon. Können wir uns nicht irgendwo treffen? Ich tät’ die Kleine gleich mitbringen, dann soll sie dir selbst erzählen, was da vorgefallen

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