Mischpoche
noch?«
»Novaragasse 32.«
»Na, habe die Ehre! Wie haben S’ denn die so schnell parat?«
»Weil ich der Gitti einmal g’holfen hab’, a paar Sachen zum Essen dort hinzubringen. Und da ist er dann g’standen, dieses Bild von einem Mann! Glauben S’, der hätt’ uns g’holfen. Ka Red davon! Durch die Tür hab’ ich dann sogar noch g’hört, wie er ihr einen Baum aufg’stellt hat, weil sie mir 50 Groschen Trinkgeld geben hat für die Mühe, die was ich mir g’macht hab.«
Bronstein lächelte: »Gnädigste, ich glaube, Sie haben mir gerade sehr geholfen.«
»Gern g’schehen! Es soll keiner unschuldig ins Elend kommen, sag ich immer. Ich hoff’, Sie finden den Richtigen.«
»Das hoff’ ich auch.«
Wenig später überquerte Bronstein den Praterstern und hielt auf die Praterstraße zu, um von dort in die Novaragasse abzubiegen. Vor dem Haus mit der Nummer 32 blieb er stehen. Er klopfte an das ebenerdige Fenster und wartete, dass sich die Hausmeisterin zeigte. Die riss mürrisch die Flügel auf: »Was wollen S’?«
»Wohnt hier ein Koller?«
»2. Stock, Tür 8.« Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, schloss die Hausbesorgerin wieder ihr Fenster. Bronstein blickte noch eine Weile irritiert auf das schmutzige Glas, dann machte er sich auf den Anstieg in die zweite Etage. Dort klopfte er. Nichts rührte sich. Er pochte heftiger an die Tür. »Herr Koller!«, schrie er und meinte, ein leises Stöhnen zu hören. Nach kurzem Zaudern drückte er die Klinke nach unten und stellte so fest, dass die Wohnungstür nicht versperrt war. Er betrat Kollers Behausung und sah direkt in einen maßlos derangierten Mann, der sichtlich vollkommen betrunken war.
»Habt’s mich endlich g’funden«, stammelte er, »Zeit is’ worden.« Er rülpste und zog gleichzeitig Rotz auf. »Ich wollt’ mich ja … schon selber … stellen, aber …« Lang anhaltender Husten verunmöglichte jedes Reden, »… aber ich komm … nicht auf.«
»Stellen? Weswegen?«
Koller blinzelte unsicher in die Richtung Bronsteins. »Sind Sie ned wegen der Gitti da?«
»Doch.«
»Das war ein Unfall, müssen S’ wissen. Und ein ganz blöder noch dazu.«
Bronstein sah sich um. Er entdeckte eine Kaffeemaschine, mit der man halbwegs gefahrlos einen tiefschwarzen Mokka zubereiten konnte. Dann riss er das Fenster auf, um frische Luft in die stickige Bude zu lassen. Schließlich stellte er den Kaffee auf dem Tisch vor Kollers Lager ab, rauchte sich und ihm jeweils eine Zigarette an und setzte sich auf einen freien Stuhl. »Na, dann erzählen S’ einmal, Herr Koller. Ich hab’ Zeit.«
Fünfzig Minuten später war Bronstein ziemlich umfassend im Bild. Anscheinend war auch die Sevcik allmählich dahintergekommen, dass Koller eine gescheiterte Existenz war, weshalb sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Sie hatte ihn zur Rede gestellt und ihm anschließend, nachdem keine Besserung der Lage eingetreten war, den Weisel gegeben. Er aber wollte das Ende der Beziehung nicht wahrhaben und unternahm daher einen Versuch, sie zurückzugewinnen. In der Wohnung ihrer Herrschaft – woanders hatte er sie nicht mehr antreffen können – war es dann zu einem handfesten Streit gekommen, an dessen Ende sie ihm mit vorgehaltenem Küchenmesser die Tür wies. Er habe darauf versucht, sie in den Arm zu nehmen, um sie zu begütigen, und um dies bewerkstelligen zu können, wollte er ihr das Messer entwinden. Dabei sei es zu einem Handgemenge gekommen, in dessen Verlauf das Messer plötzlich in die Sevcik eingedrungen sei. In seiner Panik habe er dann schnell den Schmuck der Herrschaft aus dem Schlafzimmer gestohlen, um es wie einen Einbruch aussehen zu lassen. Doch am Heimweg habe ihn die Trauer um den unermesslichen Verlust überwältigt, und so habe er sich seitdem in einem fort betrunken.
Um den Wahrheitsgehalt seiner Geschichte zu unterstreichen, hatte Koller Bronstein die Tatwaffe und den Schmuck ausgehändigt. Dann war er weinend zusammengebrochen.
Bronstein vermochte nicht zu beurteilen, wie nahe Kollers Erzählung an der Wahrheit war, doch vorerst hatte das auch keine Bedeutung. Wichtig erschien ihm, bei Deutsch den richtigen Riecher gehabt zu haben. Mit einem zufriedenen Lächeln ging er zum Wirtshaus am Eck und rief von dort eine Streife. Die Beamten wies er an, den Koller in die Elisabethpromenade einzuliefern, vorerst aber darüber noch keine Mitteilung zu machen. Darum würde er sich, ließ er sie wissen, persönlich kümmern.
Als in der
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