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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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und flüsterte regelrecht: »Ich weiß etwas. Das ist ziemlich heikel und kann recht brenzlig werden. Und mir ist niemand anderer eing’fallen, dem ich davon erzählen könnt’.«
    »Na, das klingt ja spannend.« Auch Bronstein rutschte auf seiner Sitzfläche nach vorn: »Sag schon, worum geht’s?«
    »Also, ich bin, wie du jetzt ja weißt, bei der Eisenbahn. Ich fahre auf der Südstrecke. Wien-Kärnten hauptsächlich, aber immer wieder auch einmal für die Beschleunigten und die Eilzüge, die nach Italien gehen. Eigentlich ist das ganz nett. Wir übergeben die Züge entweder in Arnoldstein, oder wir übernehmen sie in Tarvis, und so hat man immer wieder ein bisserl das Gefühl, man hat selber Urlaub.«
    »Aha«, machte Bronstein, der seiner Neugier kaum mehr Herr wurde, »und weiter?«
    »Auf die Weise kommt man natürlich auch mit den italienischen Kollegen ins Reden. Da gibt’s ein paar, die können von früher noch Deutsch, und manchmal spielt man halt in der Zwischenzeit, in der man auf den nächsten Zug wartet, Karten oder erzählt sich was. Na, und so«, lenkte Nemeth, dem Bronsteins Ungeduld nicht entging, ein, »war es auch vorige Woche.«
    Er atmete tief durch, ehe er fortfuhr: »Wir sind in der Bahnhofswirtschaft von Tarvis g’sessen, und auf einmal fangt der Luigi, das ist einer von den Italienern, der aus Trient kommt und vor 18 in der kaiserlichen Armee gedient hat, an, dass sich am Bahnhof von Udine seit einigen Tagen Merkwürdiges tue. Aus den verschiedensten Städten kämen Güterwaggons, die dort auf einem Nebengleis gesammelt würden. Alle Verantwortlichen täten mächtig geheimnisvoll, und niemand wisse, was für ein Zug da zusammengestellt werde. Doch es könne keinesfalls etwas Gutes bedeuten, denn er, Luigi, habe durch Zufall gesehen, was in den Güterwaggons gelagert sei.«
    »Und was ist dort gelagert?«, kam es atemlos von Bronstein.
    »Waffen«, zischte Nemeth, »Maschinengewehre, Karabiner, wahrscheinlich auch Pistolen und anderes Kriegsgerät.«
    Bronstein sah sein Gegenüber irritiert an: »Na ja, der Duce wird sich wohl mit irgendjemandem anlegen wollen. Wahrscheinlich mit den Negern da unten in Somaliland. Darum sammeln sie das Zeug in Udine, weil sie’s in Triest oder wo verschiffen wollen. Was ist daran jetzt so bemerkenswert?«
    »Die Waggons gehen nicht nach Süden, die gehen nach Norden. Und du weißt, was im Norden von Udine liegt!«
    Im Norden lag Österreich. So weit reichten seine Geographiekenntnisse noch. Was aber mochte das zu bedeuten haben? Schickte Mussolini seinem Intimfreund Dollfuß eine Ladung Waffen, damit der sein Bundesheer neu ausrüsten konnte?
    »Wenn das für unser Bundesheer bestimmt wäre, dann gäbe es schon längst einen entsprechenden Aktenlauf«, schien Nemeth Bronsteins Gedanken erraten zu haben. »Doch wir haben nachgefragt, bei der Bahn weiß niemand irgendwas. Außerdem gehen solche Aktionen im Normalfall immer mit einem mordsmäßigen Brimborium einher. Da kommt zuerst einmal eine Abteilung vom Generalstab an, die bezieht dann großartig Quartier und macht auf großen Bahnhof, und dann kommen die Uniformierten von der Gegenseite und … na ja, das brauche ich dir ja nicht zu erzählen, du kennst das ja noch aus der Zeit vorm Krieg. Da ist aber auf einmal alles ganz anders. Der Luigi hat uns erzählt, dass die Waggons heimlich still und leise über die Weihnachtsfeiertage in der Nacht nach Österreich gebracht werden sollen, weil da jeder mit der Christmette, dem Singen und den Geschenken beschäftigt ist, sodass niemand merkt, wenn da auf einmal eine etwas eigenartige Fracht über die Grenze rollt.«
    Nun begann Bronsteins Gehirn wirklich zu arbeiten. Wenn die Informationen von Nemeth stimmten, dann konnte dieses brisante Material keineswegs für die Armee bestimmt sein. Wen aber würde Mussolini sonst mit Waffen bedenken?
    Bronstein pfiff durch die Zähne. »Du meinst …«
    »Na sicher, wen sonst?!«
    Anscheinend wollte der Duce sein österreichisches Pendant, die Heimwehren, heimlich aufrüsten, damit die endlich die Demokratie in Österreich aushebeln konnten, sodass sich hierorts ein ähnliches Regime wie in Italien etablieren würde. Natürlich! Der Starhemberg, der Chef der Heimwehr, ging ja mittlerweile so oft bei Mussolini aus und ein, dass er in dessen Palast schon beinahe einen Meldezettel ausfüllen konnte. Und wenn der ihm mehrere Waggons mit Gewehren überließ, dann war der Schutzbund der Sozis endgültig geliefert. Eine solche

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