Miss Emergency
typischen möchtegern-subtilen Arroganz, eine Gehirnerschütterung sei ja auch die maximale Herausforderung für eine Anfängerin â aber ich SEHE, wie es sie stört, dass ich den einzigen hübschen Patienten in unserem Alter abgestaubt habe. Hat sie nicht bei jeder Visite albern geflirtet?! Wenn Marie-Luise auch noch wüsste, dass ich sogar die Wahl hatte, würde sie sicher grün vor Neid. Ich hoffe, dass sich das noch bis zu ihr herumsprechen wird. Hach, warum ist man immer so bescheiden und lobt sich als gut erzogenes Mädchen nie mal selbst?!
Manuel ist heute freundlich und kooperativ; ich berichte den Kommilitonen von dem Zwischenfall und den folgenden Untersuchungen und zeige die CT-Bilder. Manuel lächelt verlegen, als ich seinen Ãbelkeitsanfall schildere, und spart sich die frechen Bemerkungen vor der Gruppe. Im Gegenzug umschreibe ichseinen Kotzanfall mit dem medizinisch-nüchternen Begriff Vomitus; seine Verzweiflung und die Idee, alles zu verheimlichen, verschweige ich völlig. Manuel nickt bescheiden zu allem, was ich sage, und so machen wir wohl einen recht guten Eindruck. Ãbrigens schweigt Manuel nicht so demütig und friedfertig, um mir einen Gefallen zu tun â als Dr. Ross ihn den anderen als meinen Patienten vorstellte, habe ich in Manuels Augen sehr deutlich das Erstaunen gesehen. Offenbar hat er mir wieder nicht geglaubt â und ist jetzt entsprechend verblüfft zu erfahren, dass ab heute wirklich ICH allein für ihn zuständig bin. Okay, PJler-allein. Trotzdem.
Marie-Luise liefert noch eine Extra-Einlage. Offenbar ist sie eine gewiefte Taktikerin. Nachdem die Stelle als Manuels Ãrztin vergeben ist, hat Marie-Luise blitzschnell die Rollen neu verteilt: Da ich jetzt die offiziell Verantwortliche bin, schnappt sie sich den Posten der Vertrauten.
»Wenn es mal was gibt, was du deiner Ãrztin nicht sagen willst â¦Â«, flüstert sie ihm ungeniert zu â als merke sie nicht, dass ich sie hören kann.
Und Manuel steigt drauf ein. »Ich denk dran«, lächelt er sie an.
Marie-Luise flötet entzückt: »Wenn sie dich piesackt, kannst du immer zu mir kommen.«
»Das tut sie jeden Tag!«, entgegnet Manuel. Und dann grinst er MICH an. Mann! Hört sofort auf! Hat er das jetzt gesagt, um mit IHR anzubändeln? Um MICH zu provozieren? Oder um uns gegeneinander auszuspielen?
Ich entscheide mich für den gediegenen Rückzug und trete zu den anderen, die eben von Dr. Ross Manuels CT erklärt kriegen.
»Niedlicher Teddy«, sagt Marie-Luise hinter meinem Rücken.
Kann Dr. Ross nicht mal für Ordnung sorgen?! Wir sprechen hier über Unterschiede, Vor- und Nachteile von CT und MRT, während Marie-Luise ungehemmt flirtet und sich nicht die Bohne beteiligt! Dr. Ross sagt nichts dazu. Also kann ich ihr auch nicht mehr ganz aufmerksam zuhören; schlieÃlich muss ich im Ohr behalten, was hinter mir gesprochen wird!
Manuel erzählt Marie-Luise, dass wohl »eine Verehrerin« den Teddy in sein Bett gelegt habe. Marie-Luise klärt ihn darüber auf, dass der kleine Bär aus dem Krankenhausshop stammt â und keine Besucher ins Zimmer gelassen werden, wenn die Patienten nicht da sind.
»Dann steht wohl jemand vom Personal auf dich«, haucht sie schelmisch.
Ich spitze nervös die Ohren. Fliege ich jetzt auf?! Aber weit gefehlt. Marie-Luise bringt es fertig, bei Manuel den Eindruck zu erwecken, SIE SELBST könnte den Teddy in seinem Bett platziert haben! Wohlgemerkt, sie behauptet nicht, sie hätte. Aber sie bringt ihn auf die Idee â und lässt ihn dann in dem Glauben. Was für eine geschickte, durchtriebene Kuh! Ich kann es nicht fassen. Na toll, selbst schuld, Lena! Warum habe ich nicht heute Morgen zugegeben, dass der Bär von mir ist. Klar, es ist peinlich, viel zu viel Aufmerksamkeit für den selbstzufriedenen Manuel. Aber dass jetzt die blöde Marie-Luise den Dank kassiert, passt mir noch weniger. Ich habâs doch gewusst: Schweigen ist Mist!
W ir sind hundemüde. Am Abend liegen wir in Jennys unordentlichem Zimmer auf dem Bett, essen Eis, sehen mit einem halben Auge fern und lästern über Dr. Ross und Marie-Luise.
»Unverschämt, wie sie deinen Typen angräbt!«, empört sich Jenny und ich bin ihr sehr dankbar. Nicht nur, weil sie Marie-Luise ein bisschen schlechtmacht, sondern auch, weil sie Manuel meinen Typen nennt.
Weitere Kostenlose Bücher