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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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mehrfach Begleitung und Abendgestaltung angeboten werden. Zu meiner Erleichterung schlägt Jenny alles aus und wir bleiben unter uns. Nach der zweiten Brizzeldose findet Jenny die Weltschon wieder rosiger. Jedenfalls was mich betrifft. Sie rät mir, die garstige Art des Oberarztes als verletzten Stolz zu verstehen und mich nicht darum zu kümmern.
    Â»Oder magst du ihn«, fragt sie schelmisch, »und es spielt eine Rolle, ob er wirklich Liebeskummer hat oder aus anderen Motiven Streit sucht?«
    Ich widerspreche, so schnell ich kann. Natürlich ist er ein attraktiver Mann, klug, aufopfernd und verständnisvoll – zumindest, was seine Patienten betrifft. Diese Abschwächung war wohl nicht genug; Jenny findet, dass meine Charakterisierung schon nach ziemlich übertriebener Wertschätzung klingt. Und, ja, bis zu seiner heutigen Gemeinheit hätte ich auch wenig auf Dr. Thalheim kommen lassen. Aber das ist nur Achtung, keine Schwärmerei. Und meine Gekränktheit ist verletzter Stolz und nicht enttäuschte Liebe! Und außerdem hab ich doch Manuel!! Mit Manuel kann ich Jenny von den irrigen Oberarztspekulationen abbringen.
    Â»Mann«, seufzt sie, »jetzt seid ihr beide unter der Haube und ich bin ganz allein. Versprich mir, dass du mich nicht auch noch vernachlässigst. Ich bin deprimiert genug, wenn Isa dauernd bei ihrem Paul ist.«
    Ach ja. Das Tom-Paul-Tom-Dilemma. Das ist heute definitiv zu viel für mich. Ich versichere Jenny nur, sie niemals zu vernachlässigen – und dass ich natürlich nichts dagegen habe, wenn sie Manuels Sportlerfreunde kennenlernt. Als Jenny zu gründlich über Isas mit der Verliebtheit einhergehende Veränderung plaudern möchte, spreche ich – eigentlich nur, um das Thema zu wechseln – noch einmal die verlorene Probe an. Was glaubt Jenny, was passiert? Hat sie wirklich keine Angst?
    Jenny behauptet, vorerst funktioniere ihr Verdrängungsmechanismus recht gut. Ich glaube schon, dass sie sich ziemlich vor den Konsequenzen fürchtet. Aber Jenny schnipst den Verschluss der Brizzeldose über den Platz, lächelt mich schief an und sagt nur: »Auf jeden Fall gibt es erst mal keine Klamotten mehr von Mutti und Vati. Schade, was?«
    Als wir nach Hause gehen, ist es noch nicht mal zehn. Ich bin etwas überrascht, dass Jenny meinem Vernunftvorschlag so bereitwillig zustimmt. Hat der heutige Tadel für Pflichtverletzung schon solch einen Sinneswandel hervorgerufen?
    Isa ist zu Hause. Blass, aber sehr gerade sitzt sie in der Küche. Ich ahne Schreckliches. Wenn heute auch noch das Tom-Geständnis ansteht, kapituliere ich wirklich. Jenny verschwindet zum Glück im Bad, sodass ich eine Minute mit Isa allein habe. Ich nutze die Gnadenfrist, um inständig gegen eine Offenbarung zu protestieren. Doch meine Argumente laufen ins Leere. Dass der Tag doch schon ruiniert ist, empfindet Isa als Argument FÜR ein Geständnis, und dass Jenny grade andere Sorgen hat, bestärkt Isa auch nur; sie findet, dass Jenny »dann wenigstens Ehrlichkeit verdient hat«.
    Mann, bis jetzt hatte Isa doch auch nicht das Bedürfnis, Jenny aufzuklären!
    Â»Weißt du, was passiert, wenn du es ihr sagst?«, frage ich eindringlich.
    Isa nickt. »Sie wird toben und mich hassen – und dann wird sie ihn mir wegschnappen«, sagt sie mit zitternder Stimme.
    Punkt eins halte ich für absolut, Punkt drei für relativ wahrscheinlich. »Warum willst du es dann tun?«, frage ich beschwörend; mir läuft die Zeit davon. Ob ich mich hier einigermaßen korrekt oder ganz schändlich verhalte, spielt bei mir grade gar keine Rolle. Ich will nur keine weitere Katastrophe heute.
    Isas Augen sind riesig. »Ich will es nicht sagen«, flüstert sie, »aber ich muss doch …«
    Jenny muss jeden Moment aus dem Bad kommen. Mir muss etwas einfallen. Okay, Medizinertrick. Ich ziehe Isa in mein Zimmer.
    Â»Du musst im Moment nur eines«, sage ich entschlossen. »Deine Patientenbetreuung hinkriegen und dein Probeexamen bestehen. All das bringst du in Gefahr, wenn du jetzt vorschnell handelst, klar?« Ich greife das dickste Buch von meinem Schreibtisch – Anatomie – und halte es Isa hin. »Hier, lies das!«
    Isa starrt mich verwirrt an. »Lena, das Buch hab ich selber. Damit arbeite ich seit Jahren.«
    Rigoros drücke ich ihr das Buch in die Hand. »Jetzt fängst du

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