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Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)

Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)

Titel: Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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allein machen.
    Die wichtige Miene, mit der sie auf den Bildschirm starrt, soll mir bedeuten, dass sie als Stationsverantwortliche noch weitdringlichere Dinge zu tun hat. Aber ich wette, sobald ich draußen bin, spielt sie Minesweeper .
    Nur: Was, wenn ER gerade jetzt aus seinem Büro kommt … den Flur hinuntergeht … und genau in dieser Sekunde um die Ecke biegt – sodass ich ihm gleich gegenüberstehe, sobald ich aus dem Schwesternzimmer trete?
    (Noch mal eine kurze Vergleichsanalyse: Bestünde die Gefahr, dass ich gleich auf dem Flur in Alex hineinlaufe, würde ich mich darauf freuen. Die drohende Tobias-Begegnung bringt meine Knie so zum Zittern, dass die Medikamentenschälchen auf dem Wagen klappern. Das spricht für … Tobias. Oder? Aber dass ich mich unbekümmert freuen würde, Alex zu sehen, behauptet auch nur Halb-blind-Lena, die dabei einrechnet, dass sie diese Freude nie in der Realität beweisen muss – denn dass Alex auf dem Flur steht, ist erleichternd unwahrscheinlich. In Wirklichkeit weiß sie nämlich nicht, ob das mit der unbekümmerten Wiedersehensfreude nach gestern Abend noch ganz so stimmt …)
    »Wird’s bald«, knurrt Klara und ihre Finger zucken über der Maus. Na klar, ich halte sie von Minesweeper ab. Sie ist sicher schon ganz kribbelig, ein paar Bomben explodieren zu lassen.
    Der Medikamentenrundgang ist schnell erledigt, nur wenige Patienten bekommen mitten in der Nacht noch eine Schmerzmittel-Dosis. Der letzte Patient, Herr Pflüger in Zimmer 4, ist hellwach. Er ist etwa 30 und leidet an einer Entzündung der Herzinnenhaut. »Unterhalten Sie mich doch ein bisschen«, bittet er. »Ich liege hier noch monatelang und nie ist etwas los!«
    Ich muss schmunzeln, monatelang ist vielleicht ein klein wenig übertrieben. Doch als ich in seine Akte sehe, wird mir klar, dass er seinen Stationsaufenthalt gar nicht so sehr dramatisiert hat: Herr Pflüger wird noch etwa fünf Wochen hierbleiben. Seine Endokarditis ist noch nicht definitiv diagnostiziert, aber er hat einen angeborenen Herzfehler und zeigt klinische Symptome. Weil sich jedoch noch keine Veränderungen an den Herzklappen zeigen und die Bakterien, die eventuell sein Herz angegriffen haben, in der Blutkultur nicht nachgewiesen werden können,liegt er hier unter Beobachtung. Er muss sich einer langwierigen antibiotischen Therapie unterziehen. Sechs Wochen strenge Bettruhe!
    »Nachts kommt nicht mal Besuch!«, sagt er. »Vielleicht langweile ich mich hier zu Tode. Das wäre das Einzige, was mir nicht seit frühester Jugend angedroht wird.«
    Herr Pflüger und seine Langeweile wecken mein Mitleid, ich setze mich einen Moment an sein Bett. Er erzählt von seiner Kindheit mit einem angeborenen Herzfehler, davon, dass einfach alles immer verboten war – Radfahren, Partys, selbst Schulsport. »Das ist zu anstrengend für dich.« »Denk an dein Herz.«
    Ich erzähle ihm im Gegenzug, dass fast alle meine Freundinnen damals zum Cheerleader-Camp fahren durften, ich aber nicht. Es ist nicht, dass ich für mein Leben gern Cheerleaderin gewesen wäre. Ich wollte nur mitfahren, um dabei gewesen zu sein. Als die anderen zurückkamen, konnten sie eine menschliche Pyramide stellen, zwei hatten Jungs geküsst und eine sich die Nase gebrochen – und ich war auf ALLES neidisch. Den ganzen Restsommer habe ich mit ihnen Kunststücke geübt, um nicht zurückzustehen.
    Das ist nicht mit einer Herzfehler-Kindheit vergleichbar, heitert Herrn Pflüger aber trotzdem auf. »Können Sie mir nicht irgendwas vormachen?«, bettelt er.
    »Nein«, sage ich rigoros, »Sie dürfen nicht lachen!«
    Aber meine strenge Arztmiene nutzt nichts; Herr Pflüger sieht mich mit Welpenblick an und führt noch mal ins Feld, dass er sein Leben lang verdammt wenig Spaß hatte, noch fünf Wochen hier liegen muss und eigentlich NIE was zu lachen hat. Er verspricht, sofort und für immer still zu liegen, wenn er nur einen einzigen Cheerleader-Sprung zu sehen kriegt.
    »Für die Sprünge ist hier sowieso zu wenig Platz«, erkläre ich, als ob ich auf einer fußballfeldgroßen freien Fläche einfach jeden Sprung zustande bringen würde. Aber dann blättert sich mein inneres Lehrbuch auf. Wenn er eine Endokarditis hat, kann es zu einem akuten Organausfall kommen, seine Niere oder seinHerz könnten versagen; vielleicht sollte ich weniger an mein Selbstbild und mehr daran denken, was Herrn Pflüger in diesem Leben noch an Erheiterung bleibt. Ich überlege einen Moment ernsthaft:

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