Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
Radschlag, Flickflack oder Salto konnte ich nie – ich durfte ja nicht ins Camp … aber vielleicht kriege ich noch einen Handstand hin?
»Na gut«, sage ich. »Weil ich noch keine Ärztin BIN und niemand hier ist und Sie mir versprechen, dass Sie es nie nie nie jemandem verraten werden.«
Er nickt.
Ich hole tief Luft. Was tut man nicht alles für seine Patienten? Lena Weissenbach, die aufopferungsvollste Ärztin der Welt. DAS sollte mal in der Prüfung gefragt werden: Was ist das Entwürdigendste, das Sie je für einen Patienten getan haben? Frau Weissenbach, volle Punktzahl.
Ich bin selbst gespannt, ob von dem schmerzhaften Übungssommer vor zwölf Jahren noch irgendwas übrig ist. Soo schwer kann es doch nicht sein. Jetzt zeigst du Herrn Pflüger einen Handstand, hast einen bedauernswerten Patienten einen Hauch glücklicher gemacht und gehst mit der zufriedenstellenden Gewissheit in die Nacht, dass du für deine Schützlinge einfach alles tust … und die umfassend-begabteste Nachwuchsärztin Berlins bist.
Eigentlich ist es leichter, als es aussieht: Es kommt zuerst nur auf den Schwung an und dann nur auf die konzentrierte Balance. Zur Not lehnst du die Füße an die Wand. Wenn es klappt, hast du eine Alternativ-Zukunft jenseits der Bäckerei-Theke entdeckt – und wenn du umfällst, weißt du, dass du keine 13 mehr bist und hast Selbstironie bewiesen.
Ich schiebe den Medikamentenwagen aus der Gefahrenzone, lege alles ab, was davonfliegen könnte, und verkünde: »Ladies and Gentlemen, exklusiv und nur bei uns!« Drei Lockerungsübungen – Profi ist Profi – dann hole ich mit dem rechten Bein Schwung, stütze die Arme auf und werfe die Beine hoch, balanciere aus, damit ich nicht hintüberkippe – und stehe perfekt. Gleichgewicht und Körperbeherrschung reichen sogar, umanmutig die Knie zu beugen und mit den Beinen zu wackeln wie eine Trapezkünstlerin. Wer sagt’s denn?! Ich kann es noch!
Herr Pflüger ist beeindruckt und applaudiert. Ich stehe zwar ein wenig zittrig, aber das überraschend noch vorhandene Geschick gibt mir so viel Kraft, dass ich jetzt sogar alleine eine Pyramide stemmen könnte.
In diesem Moment öffnet sich die Tür.
Tobias.
Er steht im Zimmer, in tadellos weißem Kittel – und Lena, die sich für diese Begegnung einen strahlenden Auftritt erhofft hat und mit einem zittrigen Verlegenheitsgespräch rechnete … steht höchst würdelos und kasperig mit den Beinen winkend, den Kittel halb über dem Gesicht, auf den Händen vor einem Patientenbett.
Ich falle in mich zusammen wie eine Dosenpyramide im Supermarkt-Sketch und schlage mir bei der unsanften Landung das Knie auf. Mein Kopf ist sicher hochrot. Eine Performance, bei der nicht mal der sonst so beherrschte Tobias an sich halten kann.
Er schaut mich mit großen Augen an und verkneift sich mühsam ein irritiertes Lächeln, bevor er fragt: »Geht es Ihnen gut, Fräulein Weissenbach?«
»Natürlich«, sage ich, bringe mich so schnell wieder in Ernst-zu-nehmende-Ärztin -Grundstellung, dass ich fast noch mal hinfalle, und kratze alles verbliebende Selbstbewusstsein zusammen. »Ich … äh … erheitere nur Herrn Pflüger.«
Herr Pflüger ist auf das Maximalste erheitert, er kann sich vor Lachen kaum halten – und dabei ist das doch so schlecht für seine Rekonvaleszenz.
Tobias lacht nicht. Habe ich bei seinem Eintreten den Anflug eines Lächelns in seinem Gesicht gesehen, so ist der inzwischen ausgelöscht; seine Miene zeigt nur Unverständnis … und etwas, das ich als Ärger deute. Genau, Lena: Das ist exakt die Art Begegnung, vor der du dich seit heute Morgen fürchtest – und dabei hattest du keine Ahnung, WIE SCHLIMM sie werden könnte!
»Ich bin sicher, Herr Pflüger hat jetzt genug Unterhaltung gehabt«, sagt Tobias. »Ist sonst alles in Ordnung mit dem Patienten?« Ich nicke, sprachlos. »Dann ist Ihr Einsatz hier ja wohl nicht mehr vonnöten.« Er winkt mich mit einem Kopfnicken hinaus.
»Gute Nacht, Herr Pflüger«, sage ich leise. »Ich hoffe, Sie können jetzt zufrieden einschlafen.«
»Einschlafen nicht«, lächelt Herr Pflüger und wirkt doch ein wenig beschämt darüber, dass mir jetzt wohl seinetwegen ein Oberarzt-Anpfiff bevorsteht. (Pah, würde er uns besser kennen, würde er für mich auf einen Anpfiff HOFFEN!) »Aber ich bin absolut glücklich. Danke, Schwester.«
Schwester. Und an den habe ich meine unglaublichen Cheerleaderkünste und all meine Würde verschwendet!
»Man merkt es
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