Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
nicht, aber Fräulein Weissenbach ist Ärztin«, korrigiert Tobias. »Zumindest kann sie es werden.«
Herr Pflüger entschuldigt sich, bedankt sich noch mehrfach – und dann gibt es kein Zurück mehr. Ich muss Tobias auf den Flur folgen.
»Geht’s dir gut?«, fragt er draußen. Ich setze an, um zu erklären, wie es zu dem seltsamen Bild kam, das sich dem Oberarzt eben zu mitternächtlicher Stunde geboten hat, und dass ich nur mein Bestes getan und mich ausschließlich im Sinne und zum Wohle des Patienten erniedrigt habe. (Obwohl: Warum so demütig? Der Handstand war 1A, kerzengrade. Und das nach zwölf Jahren ohne Training! Nicht immer so bescheiden!)
»Ich war nur …«, beginne ich, dann muss ich erst mal meinen Kopf sortieren. Denn jetzt, da wir allein auf dem Flur stehen und er mir in die Augen sieht, zittern meine Knie doch plötzlich wieder, als würden sie gleich unter mir nachgeben. (Das muss die Anstrengung sein. Zwölf Jahre kein Training und dann gleich so eine Akrobatik-Einlage!)
»… nur Lena«, setzt Tobias meinen in der Luft hängen gelassenen Satz fort. »Ich weiß schon.«
Ich grinse ein wenig, das hilft immer, wenn einem sonst nichts bleibt. »Tut mir leid«, sage ich. »Ich hab’s gut gemeint.«
»Das bezweifle ich nicht«, antwortet Tobias. Und dann – als ich gerade denke, jetzt könnten wir einen Kaffee trinken gehen und in einer halben Stunde werden wir darüber lachen – er mit diesem seltenen Grübchen-Lachen, das ich so gerne sehe und er so selten zeigt – sagt er einfach »Gute Nacht« und dreht sich um.
Gute Nacht?!
Ich stehe da, wie von einer Horde Footballer umgerannt. Soll das bedeuten, dass er es jetzt gnädig vergisst? Soll ich dankbar sein? Oder bedeutet es, dass er von meiner Unprofessionalität so enttäuscht ist, dass er jetzt nicht mit mir reden kann? Dass es ihm leidtut, dass uns mal mehr verbunden hat als »Guten Tag, Herr Oberarzt«?! Mein Lieber, es gibt weit enttäuschendere Situationen, bei denen man eine Fast-Ärztin nachts in Patientenzimmern antreffen kann!
»Jetzt tu nicht so, als ob du mich beim Kiffen erwischt hättest!«, fauche ich leise. Und, klar – er hat es gehört.
Er dreht sich um und sagt: »Ist schon in Ordnung. Du bist wie du bist. Herr Pflüger findet dich sicher umwerfend.«
Mann, Tobias, ich will, dass DU mich umwerfend findest! Ich kann immerhin wirklich tolle Cheerleader-Figuren – und werfe dabei nicht mal mich um.
»Mach ruhig weiter so, wir haben viel zu wenig Ärzte mit erweiterten Erheiterungs-Fähigkeiten«, setzt er nach. Oh danke! Wenn das Sarkasmus sein sollte: An mich ist er verschwendet.
Oder ist das winzige Lächeln etwa kein Zeichen für Ironie?
»Hauptsache, du lernst genug.« Damit verschwindet er endgültig.
Okay, es WAR Sarkasmus. Und nun lässt er mich hier stehen, bevor ich entschieden entgegnen kann, dass es ihn absolut nichts angeht, wie viel ich heute gelernt habe.
Mann, warum bringt mich denn immer alles so auf die Palme, was er sagt?! Immer noch, weil er meine Privatkonsultation so seltsam abgelehnt hat? Oder weil er einfach Tobias ist?
E ifersucht«, sagt Jenny. »IHM zeigst du nie Cheerleader-Figuren. Uns übrigens auch nicht.«
Ich kann jetzt leider keine Entschädigungs-Kunststücke zeigen. Obwohl ich mich vor meinen Freundinnen mit nichts auf der Welt blamieren könnte, schon gar nicht schlimmer als gestern Nacht vor Tobias. Aber … sollte das wirklich Eifersucht gewesen sein?! Wie wäre es dann mit einem deutlichen, vollkommen unzweideutigen: »Ich möchte nicht, dass du fremde Herren erheiterst, auch wenn sie todkrank sind, weil ich dich und deine perfekten verschrobenen Künste für mich allein haben will!« gewesen? Oder einem »Ich will nicht, dass meine Liebste sich lächerlich macht, weil ich auf ihr professionelles Ansehen noch mehr Wert lege als auf mein eigenes!« ? Irgendetwas in der Art? Aber nein! Wenn das Eifersucht war, dann eine, die ich hübsch selbst erraten sollte. Na prima.
(Innere Liste, bitte notieren: Mann, der nie sagt, was er meint, aber ein enttäuschtes Gesicht macht, wenn man es nicht enträtseln kann: ein Minuspunkt. Nein, zwei.)
Ob Eifersucht oder Enttäuschung ist mir ganz egal, die nächtliche Begegnung mit dem kühlen Facharzt für professionelle Distanz hat auf jeden Fall eins bewirkt: Heute schneide ich im Kreuz-Test fast erschreckend gut ab. 81 Prozent korrekte Antworten. Weil ich eine Ärztin werde, die medizinisch UND akrobatisch Höchstleistungen
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