Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
vollbringen kann. Gleichzeitig.
Jenny begrinst ihr unterdurchschnittliches Ergebnis; ja ja, sie nimmt zwei bis drei Bände Mündliche Prüfung kompakt mit indie Badewanne. Ich frage streng-mütterlich, warum sie nicht 12 bis 13 Bände mit an den Schreibtisch nimmt. (Die Tagesbeste darf ruhig mal ermahnen, sie ist immerhin Vorbild und Disziplinwächterin.) Jenny zieht eine leicht verlegene Grimasse und gesteht, dass sie noch auf eine Party verabredet ist. »Was kann ich dafür, dass die Lernphase und der Sommer ausgerechnet in dieselbe Zeit fallen?! Das ist doch auch blöd ausgedacht!«
Stimmt zwar – aber Erwachsene müssen sich organisieren können. Oder verzichten. Wahrscheinlich beides. Und Ärzte erst recht. Wie will Fräulein Sorglos die Prüfung schaffen, wenn sie nicht einen Abend verzichten und nicht mal drei Stunden am Stück auf ihrem Hintern sitzen bleiben kann?! Wie hat sie überhaupt ihr Studium geschafft?!
»Es liegt daran, dass ich jetzt ein Auto habe!«, erklärt Jenny. »Im Studium hab ich in der S-Bahn gelernt. Und irgendwie hab ich den Trick noch nicht raus, wie ich am Steuer pauken kann. Dabei ist das absolut vertane Zeit!«
Ich finde nicht, dass Jenny hinter dem Steuer noch irgendetwas anderes tun sollte als fahren; für meine Begriffe widmet sie dem Straßenverkehr ohnehin schon nur eine gefährlich geringe Menge Aufmerksamkeit. Sie könnte stattdessen einfach weniger herumfahren, aber ich will meine Tagessieger-Besserwisser-Erlaubnis nicht ausreizen, denn dass ich heute die höchste Punktzahl erreicht habe, ist nur Zufall. Isa, die sonst immer am besten ankreuzt, scheint einen schlechten Tag zu haben. Ihr unterdurchschnittliches Ergebnis ärgert sie; sie macht ein Gesicht, als sei die echte Prüfung schon morgen.
»Ruh dich doch mal einen Tag aus«, empfehle ich. »Vielleicht brauchst du eine Pause?« Isa ist ein bisschen blass, doch sie schüttelt den Kopf. »Ausruhen kann ich, wenn ich die Zulassung habe.«
Selbstverständlich unterstützt Jenny meinen Ausruh-Vorschlag mit voller Kraft. Bevor sie ins Bad stolziert, lädt sie Isa ein, sie auf die Party zu begleiten. (Sie nimmt tatsächlich zwei Bände Mündliche Prüfung mit, aber ich wette, dass sie die nur als Kopfunterlage an den Wannenrand legt.)
Isa lehnt ebenso selbstverständlich ab und schleppt vier andere Bände in ihr Zimmer, um ihr Tagesergebnis aufzupolieren.
Als Jenny aufgemotzt aus dem Bad schwebt, pikst mich doch ein kleines Neid-Begehren – warum soll ich nicht auch mal wieder einen schönen Abend haben?! Für meinen von Wut auf Tobias gepushten Super-Lerntag hab ich das doch absolut verdient! An Tagen mit schlechteren Ergebnissen ist es schwer genug, Jennys Ablenkungsplänen zu widerstehen. Heute nehme ich ihre Einladung an und gönne mir einen Belohnungsabend.
Jenny ist Feuer und Flamme und kann auch gleich ihr Gewissen damit beruhigen, dass ich ebenfalls ausgehe. (Falls sie denn eins hat. Ich glaube ja, dass in ihrem Hirn anstelle des Mahngewissens eine glitzernde rosa Wolke schwebt, aus der ständig sanfte Du-bist-super-wie-du-bist -Mantras erklingen.)
Isa lässt sich nicht überreden, uns zu begleiten. Sie sieht erschöpft aus, zeigt aber, als ich das andeute, tapfer auf drei Klebemarkierungen in ihren Lehrbüchern. »Die drei Kapitel noch, dann ruf ich Tom an und geh schlafen.« Drei Kapitel liest Jenny an einem ganzen Tag nicht.
Isa scheint das auch zu denken. Sie sieht mich sorgenvoll an. »Jenny wird es nicht schaffen, wenn sie so weitermacht«, flüstert sie. »Meinst du nicht, wir müssten mit ihr reden?«
»Meinst DU nicht, dass wir damit das Gegenteil erreichen?«, frage ich zurück.
Isa seufzt. »Dann müssen wir es ihr wenigstens vorleben«, sagt sie. »Wir sind doch irgendwie für sie verantwortlich …«
Ich verspreche, dass ich das morgen wieder 100-prozentig tun werde, und nehme Isa im Gegenzug das Versprechen ab, heute eher Schluss zu machen, auch wenn sie ihr Soll nicht erfüllt hat. »Jeder hat mal einen schlechten Tag«, tröste ich. Sie nickt und beugt sich über ihr Buch.
Im Auto auf dem Weg zu der Grillparty bitte ich Jenny inständig, nichts zu erfinden, was ihr neben dem Fahren noch das Lernen ermöglicht. Denn schon für das Fahren hat sie nur ein Augeübrig, mit dem anderen überprüft sie ihre Frisur im Rückspiegel oder sucht Sender im Radio. Außerdem redet sie die ganze Zeit und hat die irritierende Angewohnheit, mich dabei anzusehen.
»Guck auf die Straße«, japse ich
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