Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
allem hier …« Meine Geste schließt die ganze Notaufnahme ein, den kleinen Jannick, Schwester Marianne, »… noch ein bisschen erholen und ablenken möchte?«
Warum versteht er das nicht? Eine ganze Menge Warums heute Abend. Scheint, als verstünden wir uns überhaupt nicht mehr.
Er geht nicht auf meine rhetorische Frage ein, nicht auf meine hilflose, anklagende Geste. »Wenn du nach ALL DEM noch Energie übrig hast«, fragt er nur, »warum nutzt du sie dann nicht für die Prüfungsvorbereitung?«
Weil ich so viele Nächte durchgelernt habe? Weil ich auch einLeben haben möchte? Weil man durchdreht, wenn man nichts weiter tut als Lernen? Wegen Alex?
»Ich kann nicht IMMER arbeiten«, sage ich nur und versuche ein Lächeln. Das muss er doch verstehen.
»Du kannst noch nicht den ganzen Stoff«, entgegnet er.
Nein. Damit hat er recht. Aber muss ich den wirklich noch heute Nacht komplett beherrschen? Ich liege gut in der Zeit. Ich werde morgen wieder acht bis zehn Stunden am Schreibtisch sitzen … Lass mich doch einen schönen Abend erleben, ohne mir ein schlechtes Gewissen zu machen! (Oder lass es dir doch endlich egal sein, Lena, ob er meint, du müsstest dich deswegen schlecht fühlen!)
Tobias wirkt enttäuscht. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Das Gefühl, ihn zu enttäuschen – oder dass mich das immer noch so aus dem Gleichgewicht bringt.
»So warst du früher nicht«, sagt Tobias. »So bist du nicht. Du wolltest nicht irgendeine Ärztin werden, sondern die beste.«
Ich weiß. Aber ist es fair, das zu sagen? Mit einer so enttäuschten Miene?
»Muss ich das?«, frage ich. Nicht aus Trotz, es ist eine ganz ernst gemeinte Frage. Muss ich die Beste sein? Ist das wirklich die einzige Art, wie man eine Prüfung bestehen kann – als Beste? Oder ist das nicht nur in Tobias’ Welt so, in der es keine Ablenkung gibt, keine Partys und nicht mal Freunde? Muss ich auch so werden? Ist das die einzige Art, wie man Arzt sein kann?
Tobias sieht mir in die Augen. Es ist schwer zu ertragen.
»Ja«, antwortet er leise. »Das musst du. Es ist deine Pflicht, die Beste zu sein.«
Ich bin sprachlos. Mehr will er nicht?! Gibt es sonst nichts, was man um vier Uhr morgens nach einer Nachtschicht und vor dem Klinikeingang von einer End-PJlerin verlangen kann? (Wieso nicht noch, dass sie nebenbei das Medikament gegen Krebs entdeckt? Das gleich noch vor Feigheit, Falschheit und Rachsucht schützt? Und bei einmaliger Einnahme alle Kriege beendet?)
»Weil du es könntest, Lena«, unterbricht Tobias mein vor Gekränktheit wild trudelndes Gedankenkarussell. »Eine Drei reicht nicht für dich. Das würde dir einfach nicht gerecht.«
Dagegen kann man nichts sagen. Weil es ein Lob ist, das zum Heulen stolz machen könnte. Nur verpackt in einen Tadel, der zum Heulen wehtut.
»Ich will nicht mit einer Drei abschließen«, sage ich. Ich höre mich selbst und höre mich jämmerlich an. »Ich glaube, dass ich mehr schaffe.«
»Und ICH glaube«, entgegnet er, »dass du jede Minute Ablenkung irgendwann bereuen wirst.«
Und damit geht er endgültig. Ich will ihm nicht nachlaufen. Ich wüsste auch nichts mehr zu sagen.
Am Rand des nächtlichen Krankenhausvorplatzes steht Alex’ alter Wagen, drinnen läuft Musik. Ich gehe langsam darauf zu. Ein ganz leichter Regen fällt, kaum spürbar. Es könnte eine wunderschöne Endsommer-Nacht sein.
Ich werde mir das nicht zu Herzen nehmen. Ich will nicht mehr, dass er mich mit so knappen, harschen Sätzen so durcheinanderbringt. Ich schaffe eine Eins bis Zwei. Auch wenn ich zwischendurch den Kopf ausschalte.
Noch zehn Schritte bis zum Auto. Ich werde die Tür öffnen, Alex küssen und eine wunderschöne Nicht-Ärztinnen-Nacht verbringen.
Noch fünf Schritte.
Ich weiß, was Tobias meint. Dass ich noch besser sein könnte, wenn ich auf das Kopf-Ausschalten verzichte. Und dass das mein Ansporn sein muss. Nicht besser zu sein als alle anderen, sondern so gut ich nur kann.
Ich öffne die Autotür, Alex dreht die Musik leiser und lächelt mich an. »Alles okay?«
»Ja«, lüge ich. Dann bitte ich ihn, mich nach Hause zu bringen. Nur nach Hause.
I hr könnt es ihnen jetzt sagen«, erklärt Isa beim Frühstück. »Ich hab mich inzwischen so weit dran gewöhnt, dass ich damit umgehen kann, wenn auch noch Alex und Felix Bescheid wissen.«
Was für eine Erleichterung. Ich konnte es kaum noch ertragen, die Neuigkeit vor Alex verheimlichen zu müssen. »Außerdem kann ich es sowieso bald
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