Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
sie zwar eine neue OP angekündigt gekriegt – dafür aber bezahlt, indem sie seit der Ankündigung mal wieder von all ihren PJ-Kollegen geschnitten wurde. »Hab ich schon gesagt, dass ichdie Typen fertigmache?«, faucht Jenny. Ja, das hat sie – nur nicht, wie!
»Tja«, entgegnet Jenny mit wütend-entschlossener Miene, »das enthalte ich dir ganz bewusst vor! Denn ich werde so gnadenlos sein, dass du es niemals erlauben würdest!« Hmpf. Den hinterhältigen Zweittertialern geschieht das sicher recht. Ich hab ja nur Angst, dass Jenny sich wieder selbst in Schwierigkeiten bringt – oder gar die arme Isa!
Keine Zeit zum Grübeln, die Visite steht an. Ich stelle zuerst Frau Perkins vor, die allen Anlass zur Zufriedenheit gibt und der Dr. Seidler für morgen die Entlassung in Aussicht stellt. Bei Frau Frisch ist nicht alles so rosig, die regelmäßige CTG-Kontrolle zeigt, dass die Wehen immer wiederkehren. Dr. Seidler macht ein besorgtes Gesicht und ordnet die kontinuierliche elektronische Überwachung an. Natürlich wird weiterhin versucht, die Wehentätigkeit zu hemmen. Aber zusätzlich soll eine RDS-Prophylaxe durchgeführt werden, eine medikamentöse Lungenreifung, die die Überlebenschancen des Neugeborenen verbessern soll, falls doch eine Frühgeburt eintritt.
Frau Frisch sieht schon wieder so ängstlich aus. Ich schreite ein, obwohl es mir überhaupt nicht zusteht. »Das ist nur eine Schutzmaßnahme«, sage ich zu ihr, als sei Dr. Seidler MEINE PJlerin und im Bestreben um Bestnoten in der Aufzählung aller Eventualitäten zu weit vorgeprescht.
Doch die Stationsärztin nimmt mir meine Forschheit nicht übel. Vielleicht streitet sie auch einfach nicht vor Patienten. »Wir tun natürlich alles, damit Ihr Baby so spät wie möglich kommt«, sagt sie ruhig.
Erst auf dem Gang sprechen wir Klartext. »Falls die Wehen nicht aufzuhalten sind oder sich im CTG eine Verschlechterung zeigt, müssen wir das Kind eventuell doch schon auf die Welt holen.« Dr. Seidler klingt kühl. Ich entschuldige mich für mein vorlautes Einschreiten bei der Visite und erkläre ihr, wie panisch Frau Frisch auf die Erwähnung von möglichen Problemen reagiert. Dr. Seidler nickt.
»Das Wichtigste ist, dass sie ruhig bleibt«, stimmt sie mir zu. Ich erzähle von meiner Taktik der Selbstberuhigung durch Kindes-Ansprache und ernte ein Lob. Ein ganz knappes nur, Dr. Seidler sagt »Gute Idee, Frau Weissenbach« und hat schon Fahrt in Richtung allgemeine Gyn aufgenommen. Aber bei der Oberärztin meines letzten Tertials habe ich gelernt, auch das kleinste Lob zu schätzen. (Die eisige Dr. Thiersch hätte sicher nur die Augenbrauen hochgezogen. Mit einem »Mumpitz, das Kind kommt, wann es kommt« wäre ich noch gut bedient gewesen.)
Bei Frau Rühlemann klappt die Vorstellung ebenfalls gut. Die zweite Aufnahme des Wächterlymphknotens wurde bereits durchgeführt, der Befund kommt von der Nuklearmedizin. Nun steht nur noch der Besuch des Anästhesisten an, am Abend eine Heparinspritze und ein Beruhigungsmittel und morgen Früh wird sie schon operiert. Das einzig Unangenehme ist, dass Frau Rühlemann auf die Frage nach ihrem Befinden frank und frei erzählt, ich hätte zu ihrer Ablenkung sehr viel beigetragen, weil ich mir so viel Zeit nähme, mit ihr zu schwatzen.
Das kommt bei der immer gehetzten Stationsärztin nicht ganz so gut an. Sie sieht mich stirnrunzelnd an und ich sehe, dass sie etwas à la »Nicht genug zu tun oder was?!« denkt.
Jenny stellt Frau Uhle vor, die Gebärmutterhalskrebs-Patientin. Ich werde wieder Zeuge der unfassbaren Verwandlung, die meine Freundin am Krankenbett durchmacht. Zu Hause Wirbelwind, laut, spontan und rücksichtslos, scheint sie im Umgang mit ihren Patienten eine ganz andere Person zu sein, ruhig, überlegt, einfühlsam. Zwei Jennys, komplett gegensätzlich. Ich bin immer wieder beeindruckt.
Auch Johanna und Patrick stellen ihre Patienten vor. Richtig gut gefallen sie mir ehrlich gesagt beide nicht. Johanna schaut kaum von ihrem Klemmbrett auf und sieht ihrer Patientin nie in die Augen. Ich würde mich in ihrer Obhut vielleicht nicht wirklich wohlfühlen. Patrick dagegen spricht laut und fast zu viel, aber seine demonstrierte Überlegenheit wirkt auf mich auch nicht hundertprozentig sympathisch. Es ist natürlich total anmaßend,die Kollegen zu beurteilen und ich behalte meinen Eindruck schön für mich. Jenny nicht. »Da gewinnen wir, was?«, grinst sie, sobald wir wieder allein sind. »Johanna
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