Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
habe. Ich ärgere mich nur, dass ich mit ihm sogar DARÜBER geredet habe. Über Tom. Und darüber, dass ich meinem Freund nichts von meinem Ärger in der Klinik erzählt habe. Dabei geht ihn das doch wirklich nichts an.«
Aha. Isa grämt sich, weil sie denkt, sie hat Dr. Gode zu vielEinblick in ihr Privatleben gewährt. Wir beteuern bis zu unserer Haustür immer wieder, dass der Stationsarzt dieses Wissen sicher nicht ausnutzt und ein so vertrauensvolles Verhältnis zu einem Vorgesetzten Gold wert ist. Außerdem hat Isa es schließlich auch nicht als Vertrauensbruch betrachtet, UNS einzuweihen. Aber so ganz, das ist leider deutlich zu merken, können wir unsere Freundin nicht beruhigen. Dass wir uns nichts mehr wünschen würden, als dass Dr. Seidler einmal Zeit fände, ruhig und vertraulich mit uns über Privatsachen zu sprechen, hilft ihr ebenfalls nicht weiter. Weil Dr. Seidler eine kleine Frau mit Ponyfrisur ist und kein attraktiver Sonnyboy mit blendend weißem Strahlelächeln.
»Wenn du Tom erzählst, dass du jetzt ein prima Verhältnis zu deinem Stationsarzt hast, verkneifst du dir einfach die visuellen Beschreibungen«, schlägt Jenny vor. Woraufhin Isa die Lippen zusammenkneift und beschließt, Tom SOFORT anzurufen und ihm einfach alles zu beichten. Und um sie nicht noch mehr zu beunruhigen, verkneife ich mir die Bemerkung, dass sie, wenn sie in diesem Gespräch auch das Wort »beichten« benutzt, womöglich alles noch schlimmer macht.
»War doch immer klar, dass eine Fernbeziehung kein Kindergeburtstag ist«, sagt Jenny am Abend. Aber ich finde, dass Isa sich wirklich gut schlägt. Dass sie ein kleines Gesprächsdefizit bei einem hübschen Stationsarzt aufgearbeitet hat, ist doch kein Grund, am Funktionieren ihrer Beziehung zu zweifeln!
Am Donnerstagmorgen zeigt sich, dass auch eine Nahbeziehung nicht immer dem Vergleich mit einer Kinderparty voller Hüpfburgen, Clowns und Ponyreiten standhält. Jenny erwacht mit einem auf doppelte Größe angeschwollenen Auge. Oh nein, Felix hat damit nichts zu tun; irgendein gemeines Insekt hat sich ausgerechnet ihr linkes Augenlid zum Ziel erkoren. Felix benimmt sich im Gegenteil höchst vorbildlich, er holt Eis, kühlt die Schwellung, kümmert sich liebevoll. Doch statt ihm dankbar zu sein, fordert Jenny ihn rigoros auf, unsere Wohnung zu verlassen.
Felix nimmt es ihr nicht mal übel. »Frauen«, lächelt er unsverschwörerisch zu, als er geht – als wären Isa und ich auch nur ratlose Betrachter dieses geheimnisvollen Geschlechts.
Jenny verschwindet für eine halbe Stunde im Bad, doch auch ihre wilde Kriegsbemalung kann das fiese Riesenauge leider keineswegs vertuschen. »Wie ich aussehe!« Jenny ist außer sich. »Wäre nur angemessen, wenn sie mich im Krankenhaus ›Zyklopenjenny‹ nennen. Aber noch ätzender ist, dass Felix mich so gesehen hat!«
»Na hör mal«, widerspricht Isa. »Ihr seid ein Liebespaar!«
Doch damit ist sie bei Jenny an der falschen Adresse.
»DU sagst deinem VERLOBTEN ja nicht mal, dass du gemobbt wirst!«, faucht sie die arme Isa an, die sofort verstummt.
Während Jenny versucht, aus ihren Locken eine Frisur zu formen, die die Hälfte des Gesichts bedeckt, hält sie uns einen aufgeregten Vortrag über die Nähe, die ihrer Meinung nach einer Beziehung zuträglich ist – und darüber, was ein Freund, dessen Bewunderung man sich bewahren möchte, besser nicht zu sehen kriegt.
»Man darf nicht ALLES teilen«, findet sie und gestikuliert wild mit ihrer Haarspraydose. »Da könnte ich ja gleich im Schlüpfer zum Supermarkt gehen. Was der Kassierer über mich denkt, ist mir immerhin nicht halb so wichtig wie Felix’ Bild von mir!«
Gut, dass man sich im Interesse des Außenwelt-Respekts nicht unbegrenzt gehen lassen sollte, unterstütze ich. Aber sollte man den Perfektionismus so weit treiben, dass er die Offenheit in einer Beziehung begrenzt?
»Ich hab das schon viel zu sehr schleifen lassen«, erklärt uns Jenny wütend. »Jeden Abend zeige ich mich ungeschminkt. Und wer garantiert mir, dass er nachts nicht mal aufwacht und schonungslos präsentiert kriegt, wie ich mit offenem Mund in meinem Kissen herumlottere?!«
Isa und ich sind ratlos. Ist das nicht das Schöne an einer vertrauensvollen Beziehung? Dass man sich nicht verstellen muss?
»Ich TUE es ja nicht!«, schnaubt Jenny auf diesen Einwand. »Das ist es doch! Ich habe mich neulich sogar mit einerAugenmaske zu ihm ins Bett gelegt! Und denkt ihr, es hätte ihn
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