Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
zu heimisch auf der Gynäkologie, um überrascht darüber zu sein, dass – kaum hat Frau Mayer mit ihrem dürren Blumenstrauß den Abschiedsgruß gewunken – sofort die nächste werdende Mutter meiner harrt. Frau Petrowski ist in der 37. Schwangerschaftswoche. Beim CTG stelle ich fest, dass die Wehen noch zu unregelmäßig sind. »Kein Problem, das wird schon«, sagt der alte Hase Lena aufmunternd. »Versuchen Sie sich auf die Atemtechnik zu konzentrieren, die Sie gelernt haben.«
Die Patientin nickt und atmet bemüht gegen die schmerzhaften Wehen an. Aber für die Geburt ist es definitiv zu früh, die Öffnung des Muttermundes ist noch lange nicht weit genug fortgeschritten. Also schlage ich mal wieder einer Hochschwangeren einen hübschen Spaziergang vor.
Während meines Wagenrundgangs sehe ich aus dem Fenster am Ende des Ganges auf den Klinikparkplatz. Frau Petrowski läuft am Arm ihres Mannes Runden über das Gelände. Offenbar haben die beiden Angst, sich zu weit von der Klinik zu entfernen. Immer wieder bleibt sie stehen und krümmt sich, wenn wieder eine Wehe ihren Körper durchläuft.
Doch bei der Kontrolle zeigt das CTG keine Besserung. Luis empfiehlt Frau Petrowski, noch einmal nach Hause zu fahren. »Vielleicht ist der Kleinen heute das Wetter zu schlecht«, lächelt er. Und da ich Luis inzwischen ein bisschen kenne, weiß ich, dass er keine Witze macht, sondern das Matschwetter tatsächlich als akzeptablen Weigerungsgrund versteht.
Frau Petrowski sieht mich unsicher an. »Muss ich?« Ich wechsele einen Blick mit Luis. Die Patientin wirkt ziemlich unsicher, MÜSSEN wir sie wegschicken? Luis lenkt ein. Und – wie lieb! – er hat nicht nur Erbarmen mit Frau Petrowski, sondern nutzt das auch für ein kleines Ärztinnen-Gefühls-Geschenk an mich. »Meinen Sie, sie kann bleiben?«, fragt er in meine Richtung. Ich nehme das Angebot dankbar an und sage: »Ja, Herr Berger, wir lassen sie lieber hier unter Beobachtung.«
Frau Petrowski bedankt sich herzlich bei mir. Ich bin aber so fair, mich eine Minute später bei Luis zu bedanken.
Beim Mittagessen sieht Isa bedrückt aus. Was ist denn nun schon wieder passiert? Mit der Riesenstrickjacke kann sie doch heute wirklich keine unerwünschten Komplimente eingefangen haben!
»Doch«, jammert sie, halb wirkt sie den Tränen nah, halb lächelt sie. »Er hat gesagt, dass diese Jacke einfach wundervoll meine Augen betont …«
Wir sind fassungslos. Dr. Gode ist einfach ein Knaller. Und, ja, Isa hat es prophezeit.
»Das darf nicht sein«, flüstert sie unglücklich. »Ich bin verlobt!«
Noch einmal versuchen wir ihr klarzumachen, dass Dr. Gode nur flirtet. Es hat sicher sicher sicher nichts zu bedeuten. (Mann, warum begreift der aber auch nicht, dass er Isa mit seinen Komplimenten verunsichert?!)
Doch unsere Vehemenz hilft nicht. »Ich darf ihn nicht mehr sehen«, seufzt Isa. Na, das mach mal – er ist dein Stationsarzt! »Ich meine doch privat«, entgegnet sie trist. »Schade, ich hab mich so gut mit ihm verstanden …«
Als ich zur Station zurückkomme, hat Frau Petrowski weiterhin heftige Wehen, doch der Muttermund ist immer noch nicht weit genug geöffnet. Luis schlägt vor, sie bereits in den Kreißsaal zu verlegen. Wir werden beide regelmäßig nach ihr schauen.
Eine Viertelstunde später gehe ich zum ersten Mal nachsehen. Frau Petrowski hat starke Schmerzen.
»Wann ist es vorbei?«, fragt sie mich ächzend.
»Ich weiß es nicht«, antworte ich. »Das hängt ehrlich gesagt von der Kleinen ab. Aber vielleicht können Sie ja auch noch ein bisschen schlafen?«
»Wie denn?!«, fährt sie mich an. »Mit diesen Wehen?« Ich bin kein bisschen beleidigt. Ich möchte um nichts in der Welt mit ihr tauschen.
Eine halbe Stunde und drei vollkommen unkonzentrierte Entlassungsbriefe später sehe ich wieder nach der werdendenMutter – und immer noch ist keine Besserung eingetreten, nur stärkste Wehen. Allmählich müssen wir doch über weitere Möglichkeiten sprechen.
Ich erkläre Frau Petrowski die PDA. »Die Schmerzmittel sind nicht schädlich für Ihr Kind«, sage ich. »Allerdings werden Sie dann die Signale Ihres Körpers nicht mehr empfangen …«
»Sofort«, brüllt Frau Petrowski. »Nichts wäre mir lieber, als meinen Körper nicht mehr zu spüren!«
Die Frau ist vollkommen erschöpft. Luis legt endlich die PDA an. Als ich 15 Minuten später nachfrage, wie es Frau Petrowski geht, lächelt sie müde. »Toll! Ich spür gar nichts mehr!«
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