Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
sie mir jetzt das Gefühl gibt, als wäre ich eine echte Hilfe.
Wir waschen uns schweigend. Bevor sie geht, bleibt die Oberärztin noch einmal in der Tür stehen und sieht mich an.
»Es geht ihm gut«, sagt Dr. Al-Sayed. Einfach so. »Ich dachte, vielleicht wüssten Sie das gern.«
Ja. Und nein.
Ich bin froh, dass es ihm gut geht und dass er sich bei jemandem gemeldet, sein Krankenhaus nicht vergessen hat. Nur ICH hatte ihn gerade vergessen. Oder wenigstens damit angefangen.
»Danke«, antworte ich, so ruhig ich es fertigbringe. Was ich eigentlich denke, ist: SEI STILL! Sie ahnt nicht, wie schwer sie es mir macht mit ihrer tröstend gemeinten Leichtigkeit!
Z u Hause wartet eine Überraschung auf mich. »Guck«, sagt Jenny, als ich in die Küche komme. »Hat mein Vater gekauft.« Zwischen Herd und Kühlschrank steht anstelle des Topf-Regals eine Geschirrspülmaschine. Nagelneu, bereits angeschlossen. Ich mache einen Luftsprung. Nie wieder nervende Geschirrberge, nie mehr schlechtes Gewissen.
»Hurra«, juble ich. »Langsam erkenne ich doch die Vorteile reicher Eltern.«
Jennys Gesicht ist ausdruckslos. »Sie lassen sich scheiden.«
Ich kenne ihre Eltern nicht besonders gut. Alles, was ich weiß, spricht irgendwie gegen sie. Eine Frau mit korrigiertem Körper, die ich zweimal gesehen habe und die beim zweiten Mal schon tat, als sei ich ihre beste Freundin. Und ein Nobelmediziner, der nur in die Luft spricht, ohne je jemanden dabei anzusehen. Die Geschenkeberge, mit denen sie Jenny regelmäßig eindecken, haben mich nur ganz am Anfang beeindruckt; inzwischen ist mir klar, dass sie nichts weiter sind als ein übertrieben teurer Weg, sich von der persönlichen Fürsorge freizukaufen.
Jenny hat kein gutes Verhältnis zu ihnen; ihren Eltern ist niemals auch nur aufgefallen, wie sehr Jenny um sie kämpft. Trotzdem, ich kann sehen, wie hart es sie trifft, jetzt nur noch einen Vater und eine Mutter zu haben und keine Eltern mehr.
»Schon okay«, sagt sie. »So musste es ja enden. Und für uns zahlt es sich wenigstens aus.« Mit einer halben Geste zeigt sie auf die funkelnde Spülmaschine.
Plötzlich wird mir alles klar. Felix. Die Trennung. Der süße-Süße-Anruf ihrer Mutter. »Seit wann weißt du es?«, frage ich.
Jenny zuckt mit den Schultern. Doch das ist mir Antwort genug.
»Hast du Felix deswegen rausgeschmissen?«
Jenny schnaubt. Klar, dieses Thema würde sie am liebsten einfach verbieten. »Ich bin eben auch nicht anders als die«, entgegnet sie knapp.
Ich bin fassungslos. Sie beendet ihre Beziehung, weil die Ehe ihrer Eltern gescheitert ist?!
»Du kannst doch alles anders machen als sie!«, sage ich beschwörend. Bitte, Jenny, das ist der größte Fehler, seit ich dich kenne! Tausendmal schlimmer als Autosverlieren, Probenverbummeln oder Arbeitschwänzen! Jenny aber schüttelt nur den Kopf. »Kann ich nicht. Ich hab’s doch gar nicht anders gelernt.«
Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Jenny aber weiß immer, was sie tun will.
Sie lächelt mir zu, halbherzig, dann verschwindet sie in ihrem Zimmer. Zehn Minuten später kommt sie zurück. Top gestylt. Die alte Jenny. Die Zeiten, in denen sie sich nur ein bisschen durch die Haare gewuschelt hat und wunderschön aussah, sind vorbei. Auch jetzt sieht sie großartig aus. Aber das Gesicht, das sie sich geschminkt hat, ist gar nicht mehr ihr eigenes.
»Ich geh noch kurz aus«, sagt sie. Ich will mitgehen und verspreche, in einer Minute fertig zu sein, doch ich habe meine Zimmertür noch nicht erreicht, als sie meint: »Lass mal, Lena. Ich würde lieber allein gehen.«
Braucht sie denn nie eine Freundin, wenn es ihr schlecht geht?
Isa kommt eine halbe Stunde später nach Hause. Sie ist fix und fertig, doch ihre erste Reaktion auf unser neues Küchenmöbel ist wie meine: Begeisterung. Als ich ihr erkläre, WESWEGEN Jenny die bescheuerte Spülmaschine geschenkt bekommen hat, sinkt Isa an den Küchentisch und stützt den Kopf in die Hände.
»Diese Arschlöcher«, findet sie. So ein Wort habe ich von ihr noch nie gehört.
Sie fragt nach Jenny, ich erzähle vom entschlossenen Abgang unserer wilden Freundin. Isa lächelt vorsichtig. »Meinst du, sie ist bei Felix?« Nichts anderes würde ich mir für Jenny wünschen. Doch ich glaube es nicht.
Isa hat noch eine andere Idee. »Vielleicht ist sie auch bei ihren Eltern?« Ich frage, was Jenny wohl dort tun sollte, nach so einem Ereignis. Isa sieht mich ruhig an, kühl. »Sie mit den Köpfen
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