Miss Emergency
sie wirklich gefragt, ob sie schon ein halbes Jahr nach ihrem Umzug nach Berlin wieder in einer anderen Stadt neu anfangen möchte?
Tom lächelt und setzt noch einen drauf. »Ist doch klar, dass wir zusammenbleiben. Meinst du, ich sollte sie einfach jetzt schon heiraten?« Und nicht mal das ist als Scherz gemeint! Mann, warum habe ich keinen Freund wie Tom, einen, für den alles so klar ist? Aber, Manno: Ist das sein Ernst, dass er uns Isa entführen will?!
Ich bringe nicht viel mehr heraus, als dass er dringend mit Isaüber seine Pläne sprechen sollte, und er verspricht mir, das Wochenende dafür zu nutzen. Doch beim Frühstück sitze ich Isa gegenüber und denke bei jedem Lächeln und jedem ihrer kleinen umsichtigen Handgriffe, wie es wohl sein wird, wenn sie nicht mehr hier ist, sich ein bisschen für ihr Nachthemd schämt und uns zwischen zwei Nutellabrotbissen über ihre Anatomie-Lernfortschritte aufklärt. Vielleicht bin ich heute einfach generalsentimental.
»Ist irgendwas Blödes passiert?«, fragt sie lieb, als sie mir Kaffee nachschenkt.
Nein, Isa, es werden nur großartige Dinge passieren. Du wirst mit dem Mann zusammenziehen, den du liebst, ihr werdet gemeinsam ein tolles Abenteuer erleben und eine neue Stadt erobern. Du wirst vielleicht sogar heiraten. Nur ich werde dich schrecklich vermissen. Leider weißt du von all dem noch nichts und ich werde den Teufel tun und dir deinen Heiratsantrag versauen, indem ich ihn hier vor allen herausposaune, bevor Tom überhaupt einen Ring ausgesucht hat. Ich schüttle also nur den Kopf. »Alles in Ordnung.« Und Isa schmiert mir ein Nutellabrot und sagt: »Du siehst ihn ja übermorgen.«
Am Samstagabend führt Tom Isa zum Essen aus – und da ich weiß, was er besprechen möchte, fällt es mir sehr schwer, nichts zu sagen, als Isa mir ihr Kleid vorführt und fragt, ob es nicht zu schick ist. Ich reiße mich zusammen und entgegne nur, dass für ein romantisches Essen NICHTS übertrieben ist. Zumindest nichts, was sich in Isas Kleiderschrank finden könnte.
»Du hast recht«, lächelt sie traurig, »in Zukunft haben wir wohl wenig Gelegenheiten, gemeinsam auszugehen. Also soll er sich doch so schön an mich erinnern, wie es nur geht, bevor all die schicken Münchnerinnen über ihn herfallen.« Ach, Isa, bald bist du vielleicht selbst eine schicke Münchnerin!
Jenny verschwindet im Bad, um sich für einen Abend mit Björn aufzustylen, und über mir schwappt das Selbstmitleid zusammen. Vielleicht starte ich doch mein Lernprogramm. Oder habe ich nicht irgendwas in der Klinik vergessen, das ich GANZDRINGEND brauche? Wäre es zu erbärmlich, mit dem Buch, das man unbedingt zum Lernen braucht, zur Klinik zu fahren, es dort für eine Sekunde in den Spind zu legen und dann wieder mitzunehmen – nur, um einen Vorwand zu haben, einmal über den Gang zu gehen? Bevor ich mich zu dieser Sehnsuchts-Ausrede hinreißen lasse, öffnet Jenny die Badtür und schreit: »Zieh dir einen Fummel an, Liebes, wir werden sicher fotografiert wie nicht gescheit!«
Ach, wenn ich Jenny nicht hätte! Überzeugt davon, dass NIEMAND am Samstagabend daheim sitzen sollte, solange in dieser Stadt auch nur ein Puppentheater geboten wird, hat sie mich kurz entschlossen und ungefragt in ihre Abendgestaltung eingebunden. Björn nimmt Jenny auf einen eleganten Empfang mit und sie hat bestimmt, dass auch mein Name auf der Gästeliste stehen muss. Ich habe kurz Skrupel; will ich wirklich der Dritte in einer Paarunternehmung sein? Und was zur Hölle meint Jenny mit »wir werden fotografiert wie nicht gescheit«?
»Du wirst doch wohl nicht hier sitzen bleiben, nur weil ein gewisser Oberarzt nicht verfügbar ist! Amüsier dich, Mädchen!«, sagt Jenny und trifft genau den Tonfall meines Kopfteufelchens. Ihrer von der Make-up-Perfektionierung etwas abgelenkten Kurzzusammenfassung entnehme ich, dass es sich um das Jubiläum einer exklusiven Zeitschrift handelt. Alles, was Rang und Namen hat, wird sich blicken lassen – und sei es nur, um am roten Teppich fotografiert zu werden und ein paar Häppchen abzugreifen. Was Björn mit der Zeitschrift zu tun hat oder wen er in diesem Umfeld berät oder als Kunden gewinnen möchte, ist Jenny nicht klar, interessiert sie aber auch nicht. »Hauptsache, es gibt Musik und Champagner«, lacht sie, »und ich darf mit. Wir werden es uns schon schön machen.«
»Ich kenne die Zeitung gar nicht, ich kann überhaupt nichts dazu sagen«, wende ich ein. Jenny grinst. »Na
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