Miss Emergency
und? Sekt trinken können wir dafür umso besser!«
Also füge ich mich und lasse mir mal wieder ein Styling verpassen, das in Lübeck mindestens für eine Opernpremiere genügthätte (gäbe es denn eine Oper in Lübeck), in Berlin aber – glaubt man Jenny – gerade so ausreicht.
Eine halbe Stunde später verlassen wir in Jennys neusten und schicksten Kleidern das Haus. Björn holt uns mit dem Taxi ab und wenn es ihm ungelegen kam, dass ich aus dem Pärchenabend eine Triangel mache, so lässt er es sich nicht anmerken.
In der Nähe des Potsdamer Platzes fahren wir an einem roten Teppich vor. Schon aus dem Fenster sehe ich, wie sich Fotografen in Stellung bringen. Ach du meine Güte, so was habe ich noch nie gemacht!
»Keine Sorge!« Björn hat meine Aufregung gespürt. »Wenn sie merken, dass es nur wir sind, gehen die ganz schnell wieder weg.«
Jenny wirft die Haare zurück. »Nicht, wenn ICH aussteige!«
Ich habe ein bisschen Angst, dass sie wieder eine große Show abziehen wird, in die ich unfreiwillig mit hineingezogen werde, doch nun ist es auch zu spät. Björn öffnet uns die Tür und Jenny entsteigt dem Wagen wie eine Meerjungfrau. Sie lächelt in die Runde, dreht sich ein bisschen – und das Blitzlichtgewitter richtet sich auf sie. Klar, wenn ich hier Fotograf wäre, würde ich wohl auch eher glauben, dass meine Societybildung gerade versagt, als dass diese Frau nicht der Mittelpunkt des Abends sein müsste. Sie knipsen wie verrückt drauflos. Das wird eine schöne Enttäuschung, wenn sie heute Nacht feststellen, dass sie eine halbe Festplatte an Bilder von einer Frau verschwendet haben, die überhaupt niemand kennt. Jennys großer Auftritt gibt mir jedenfalls Gelegenheit, in ihrem Rücken relativ unbemerkt aus dem Taxi zu klettern. Björn bietet mir seinen Arm an, sieht lächelnd zu Jenny und sagt: »Lass uns schon mal vorgehen, Lena. Bis sie hier fertig ist, können wir das halbe Buffet verdrückt haben.« Er lotst mich an den Fotografen vorbei in das Gebäude, wo ein riesiger Sicherheitsmann unsere Namen mit einer Liste abgleicht. Auch er ist nur halbherzig bei der Sache, denn gleichzeitig beobachtet er meine Freundin, die sich vor den Kameras dreht. Sein Kollege wirft ihm ein Stirnrunzeln zu – aha, er weiß auch nicht, wer das ist. Mich zwickt das Teufelchen und ich sage mit Verschwörerstimmezu ihm: »Wenn Sie sich ein Autogramm geben lassen, können Sie sich bei eBay einen ordentlichen Zuschuss verdienen.«
Björn führt mich nach drinnen, alles ist sehr elegant, Cover der mir unbekannten Zeitschrift schmücken in enormer Vergrößerung die Wände und mindestens zehn superhübsche Hostessen stürzen sich auf uns, um uns die Mäntel abzunehmen und Gläser in die Hand zu drücken. Ich werfe einen letzten Blick nach draußen und bereue ein bisschen, dass ich nicht Jennys Dreistigkeit besitze. Denn es ist ja eher unwahrscheinlich, dass irgendwann in meinem Leben der Moment kommt, in dem ich zu Recht ein solches Blitzlichtgewitter auslöse – und da wäre es vielleicht schön gewesen, das Erlebnis mitzunehmen, wenn es sich nun mal so anbietet.
Jenny kommt eine Minute später zu uns; sie strahlt mit roten Ohren und berichtet kichernd, dass sie am Einlass von einem schüchternen Riesen um ein Autogramm gebeten wurde. »Schau morgen mal ins Internet«, grinse ich ihr zu, »dann kannst du es bei eBay kaufen.«
Björn verbringt den Abend mit Kundenakquise, während Jenny und ich es uns einfach gut gehen lassen. Es gibt eine Show, ziemlich leckeres Essen und wir bekommen tatsächlich den ein oder anderen VIP zu sehen. Den ganzen Abend wird fröhlich weiterfotografiert, endlich traue auch ich mich, ein bisschen so zu tun, als wäre ich ein berechtigtes Motiv. Mein persönliches Highlight bietet ein etwas gealterter Schauspieler, den ich überrasche, als er sich gerade aus dem Damenklo schleicht. Ich gebe zu, dass ich noch einen Moment stehen bleibe, um zu sehen, ob eine Dame hinterherschleicht – und wenn ja, welche –, aber nach fünf Minuten komme ich mir blöd vor und gebe auf. Wer weiß, was er dort drin gemacht hat.
»Welcher?«, fragt Jenny laut und begeistert, als ich ihr von meiner Entdeckung berichte. Oh Mann, ich weiß doch eigentlich, dass man ihr manche Dinge erst mit Abstand erzählen darf! Ich behaupte lieber eilig, ich könne den Mann nicht mehr finden – und verhindere damit vielleicht einen Skandal …
Gegen eins, nach reichlich Champagner und der etwas zähen
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