Miss Emergency
Rage bringen wird. Schwester Janas Augen funkeln. Hat sie heimlich doch Spaß an all dem Ärger? Vielleicht passiert hier sonst nicht viel? Oder wirkt es nicht fast, als fände sie Jennys Bestrafung gerechtfertigt? Plötzlich beschleicht mich ein mieser Argwohn. Aber sie selbst hat Jenny und Felix ja erst einander vorgestellt!
»Ich frage mich nur, woher Dr. Thiersch erfahren hat, dass Jenny sich im Dienst mit ihrem Freund trifft …« Ich mustere die neugierige Schwester, so durchdringend ich kann.
»Vielleicht hat die Oberärztin sie auch gesehen? Besonders diskret war Jenny ja nicht!« Jana macht kehrt und geht davon, als hätte ich ihr meinen gemeinen Verdacht geradewegs ins Gesicht gesagt.
Als ich endlich wieder auf den Parkplatz hinunterschaue, ist das grüne Auto verschwunden. So ist das also, Lena. Er kann es durchaus verschmerzen, wenn du mal einen Abend nicht aufkreuzt. Ich will es nicht glauben. Unten stehen sieben Autos. Wenn in der nächsten Minute vier davon weggefahren werden, kurvt er um den Parkplatz und wartet, ob ich doch noch herauskomme. Zwei. Zwei genügen. Ich zähle die Sekunden rückwärts, schon ab vierzig werde ich immer langsamer, ab zwaaanzig-neeeuuunzehn-aaachtzehn strecke ich die Sekunden so, dass meine Stimme, würde ich laut mitzählen, zu einem basstiefen Brummen verzerrt wäre. Zeitlupe. Dreiii … zweiii … eiiiiiins. Kein einziger Mensch fährt seinen Wagen weg. Ich muss es akzeptieren. Er kommt nicht wieder.
Ich versuche noch einmal, Jenny zu erreichen. Doch als ich mein Telefon zücke, zeigt mir der Orakelgott, dass er eine seiner treuesten Jüngerinnen nicht einfach so im Stich lässt. Erstens fahren unten in diesem Moment zwei Autos vom Platz, gleichzeitig. Und zweitens blinkt auf meinem Display eine SMS. »Ich freue mich, wenn du dich meldest.« Nichts weiter, keine Unterschrift. Aber ich könnte Luftsprünge machen. Und ich gönne mir den klitzekleinen Verliebtheitsluxus, seine Nummer mit einer Kurzwahltaste einzuspeichern. Unter »T.«. Schon dabei zittern meine Finger ein wenig, ich mag gar nicht daran denken, wie zapplig ich sein werde, wenn ich die Nummer zum ersten Mal anrufe. Doch ich bin ganz albern glücklich bei dem Gedanken, dass ich es könnte.
Zu Jenny komme ich nicht durch, ihr Telefon ist aus. Ach, Schätzchen, wie wär’s, wenn du wenigstens einen Funken Interessedaran zeigen würdest, wie wir hier mit deiner Rehabilitierung vorankommen?! (ICH nämlich könnte durchaus auch jemand anderen anrufen.) Nun gut, vielleicht unternimmt sie eine wilde Motorradtour mit Felix. Ich bin schon kurz davor, wirklich bei jemand anderem anzuklingeln (Meine neue Kurzwahltaste ist plötzlich viel größer als all die anderen Zahlenfelder!) – als sich am Ende des Ganges die Arztraumtür öffnet. Isa sieht traurig aus, bedrückt. »Lass uns gehen!«, sagt sie nur.
Wir kommen nicht weit, schon an den Spinden sinkt Isa auf eine Bank und stützt den Kopf in die Hände. Oh Mann, warum schlägt der Ärger immer gleich an mehreren Fronten zu? »Ich werde nicht mitgehen«, sagt Isa leise, »nicht jetzt.«
Sie berichtet nur kurz. Dr. Gode war sehr nett, hat aber deutlich gesagt, dass eine Versetzung schwierig werden kann. Vielleicht im nächsten Tertial. Aber nur vielleicht. In die großen Städte wollen alle, die Wartelisten sind lang. Wir hatten schon mächtiges Glück mit Berlin und dass mitten im Tertial jemand wechseln will, kommt äußerst selten vor. »Aber das ist es nicht mal«, seufzt Isa. »Als er angefangen hat, davon zu sprechen, wie ich mich eingelebt habe, von meinen Fortschritten im Vergleich zum letzten Tertial … da dachte ich, ich muss doch verrückt sein, hier wegzugehen! Ich habe einmal die Eingewöhnungsphase geschafft, ich hab sogar schon ohne Zwischenfälle assistiert, ich fühle mich akzeptiert. Kannst du dir vorstellen, wie lange ich in einem neuen Krankenhaus brauchen werde, bevor ich mich da ohne zu zittern mit dem Stationsarzt unterhalten kann?«
Sie hat sicher recht. Aber darf die Angst vor Fremdem einen so einschränken? Muss man sich ihr nicht einfach immer wieder stellen? Ich beschließe, das nicht gleich vorzubringen und nehme stattdessen einfach ihre Hand. »Und ihr«, sagt Isa traurig. »Solche Freundinnen finde ich doch nie wieder!« Sie verzieht das Gesicht zu einem scheuen Grinsen. »Und ihr braucht mich!«
»Das stimmt«, schmunzle ich zurück. »Wir sind vollkommen hilflos ohne dich!«
»Mach dich nicht über mich lustig!«,
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