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Miss Lily verliert ihr Herz

Miss Lily verliert ihr Herz

Titel: Miss Lily verliert ihr Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DEB MARLOWE
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konnte.“
    „Du musst große Angst gehabt haben.“
    „Wir hatten alle Angst. Dann gerieten auch noch die Pferde in Panik. Als der Kutscher abstieg, um sie zu beruhigen, rutschte er im Schlamm aus und brach sich ein Bein. Papa ließ die verängstigten Pferde frei, weil er fürchtete, sie würden die Kutsche umwerfen. Dann half er dem verletzten Mann, brachte ihn zu uns ins Trockene und machte sich dann zu Fuß auf den Weg zum nächsten Haus. Er erreichte sein Ziel, und es gelang ihm sogar, mit dem Karren des Farmers zu uns zurückzukommen und uns sicher nach Hause zu fahren.“
    „Er muss ein mutiger und verantwortungsbewusster Mann gewesen sein“, sagte Jack.
    Lily seufzte. „Wenn er doch nur etwas mehr auf sich selbst geachtet hätte! Ein paar Tage später wurde er krank. Er bekam Fieber und Husten. Es dauerte nicht lange, bis er starb.“
    „Liebes, es tut mir so leid.“ Er schlang die Arme um sie und drückte sie tröstend an sich.
    „Ich war sehr traurig. Doch am schlimmsten war, dass ich mir Vorwürfe machte.“
    „Dazu gab es keinen Grund!“
    „Jetzt weiß ich das auch. Damals aber war ich ein Mädchen von knapp sechzehn Jahren, das sich selbst als Mittelpunkt der Welt betrachtete. Vermutlich ist das typisch für junge Menschen … Außerdem wurde meine Kinderfrau nicht müde, immer wieder darüber zu klagen, dass wir ihren Rat in den Wind geschlagen und all die bösen Vorzeichen nicht beachtet hatten. Natürlich fühlte ich mich schuldig. Und Mama …“
    „Sie muss auch sehr unglücklich gewesen sein.“
    „Sie zeigte ihren Kummer auf eine Art, die ich nicht verstand. Hatte sie sich vorher jahrelang kaum für mich interessiert, so begann sie nun, mich in allem zu kontrollieren. Sie verbot mir alles, was mir Freude machte. Ständig fand sie etwas an mir auszusetzen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich sie zum letzten Mal habe lachen sehen. Und natürlich dachte ich, auch daran trüge ich die Schuld.“
    „Mein armer Liebling …“
    „Wahrscheinlich wäre ich in Verzweiflung versunken, wenn ich nicht Mrs. Bartleigh kennengelernt hätte. Wir trafen sie, als Mama anfing, sich für die Ideen der Reformbewegung zu interessieren. Zum Glück erkannte Mrs. Bartleigh meinen Kummer und half mir, anders mit ihm umzugehen. Von ihr habe ich etwas sehr Wichtiges gelernt: Wir dürfen über aller Trauer nicht vergessen, dass das Leben weitergeht und viele Aufgaben für uns bereithält.“
    „Sie ist eine weise Frau …“
    „… und die beste Freundin, die man sich vorstellen kann. Ich wünschte nur, sie hätte auch meiner Mutter helfen können. Ich fürchte, Mama ist nur deshalb so darauf bedacht, Gutes zu tun, weil sie sich noch immer schuldig fühlt.“ Lily hob den Kopf und schaute Jack fest in die Augen. „Inzwischen frage ich mich, ob du meiner Mutter darin nicht sehr ähnlich bist.“
    „Was?“, stieß er hervor.
    „Niemand in deiner Familie spricht viel über deinen verstorbenen Vater. Aber du bist – soweit ich beobachten konnte – der Einzige, der jedes Mal regelrecht gequält aussieht, wenn er erwähnt wird.“
    „Das heißt doch nicht, dass ich mich seinetwegen schuldig fühle!“
    „Nicht unbedingt.“ Zärtlich legte sie ihm die Hand auf die Wange. „Wenn du jemals einen Menschen brauchst, um über alles zu reden, dann denke daran, dass ich für dich da bin.“
    Er drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, aber sie spürte, wie er sich innerlich von ihr entfernte.
    „Komm“, sagte er leise, „es ist an der Zeit, dass wir uns ins Haus zurückschleichen.“

14. KAPITEL

    Jack war erschöpft, doch ein erholsamer Schlaf wollte sich nicht einstellen. Nachdem er sich eine Zeit lang unruhig von einer Seite auf die andere gewälzt hatte, schlummerte er zwar ein, wurde jedoch von wilden Träumen gequält. Als er nach kurzer Zeit erwachte, waren die Laken schweißnass und völlig zerknittert.
    Er stand auf, stellte fest, dass seine Satteltaschen wie versprochen vom Mietstall abgeholt worden waren, wusch sich gründlich und zog sich etwas Frisches an. Dann begab er sich nach unten, um zu frühstücken.
    „Viel kann ich Ihnen nicht anbieten“, meinte Mrs. Babbit bedauernd. „In Winchester findet ein Jahrmarkt statt. Deshalb hat die Hälfte unserer Bediensteten frei. Die anderen sind brummig, weil sie arbeiten müssen. Selbst der Koch ist heute nicht da. Er wollte auf dem Markt ein paar exotische Gewürze kaufen. Ich habe ihm das natürlich gestattet, obwohl …“, sie runzelte die

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