Miss Lonelyhearts
öffnete sodann ihr Kleid und küsste ihre Brüste. Sie traute sich nicht, Widerstand zu leisten oder mit dem Reden aufzuhören.
«Meine Mutter ist an Brustkrebs gestorben», sagte sie mit tapferer Stimme, wie ein kleines Mädchen, das bei einer Party ein Gedicht aufsagt. «Sie starb über einen Tisch gelehnt. Mein Vater war Porträtmaler. Er führte ein sehr lustiges Leben. Meine Mutter hat er schlecht behandelt. Sie hatte Brustkrebs. Sie … »
Er riss an ihrer Kleidung, und ihre Worte wurden undeutlich und wiederholten sich. Ihr Kleid fiel ihr zu Füßen, und er riss ihre Unterwäsche weg, bis sie unter ihrem Pelzmantel nackt war. Er versuchte, sie auf den Fußboden zu zerren.
«Bitte, bitte», bat sie, «er kommt heraus und findet uns.»
Er stopfte ihr den Mund mit einem langen Kuss.
«Lass mich gehen, Schatz», bettelte sie, «vielleicht ist er nicht zu Hause. Dann lasse ich dich rein.»
Er ließ sie los. Sie öffnete die Tür und ging auf Zehenspitzen hinein, ihre zusammengerollte Kleidung unter dem Mantel. Er hörte, wie sie in der Diele das Licht anknipste, und wusste, dass Shrike nicht hinter der Tür gestanden hatte. Dann hörte er Schritte und humpelte hinter einen Vorsprung des Fahrstuhlschachts.
Die Tür ging auf, und Shrike schaute in den Korridor. Er hatte nur das Oberteil seines Pyjamas an.
MISS LONELYHEARTS AUF DIENSTLICHER EXKURSION
Am Tag darauf in der Lokalredaktion war es kalt und feucht, und Miss Lonelyhearts saß mit den Händen in den Taschen und zusammengepressten Beinen an seinem Tisch. Eine Wüste, dachte er, nicht aus Sand, sondern aus Rost und menschlichen Abfällen, umgeben von einem Hinterhofzaun mit Plakaten, die die Ereignisse des Tages verkündeten. Mutter erschlägt fünf mit Axt, erschlägt sieben, erschlägt neun … Babe 27 schmettert zwei, schmettert drei … Innerhalb der Umzäunung bildeten VERZWEIFELT , GEBROCHENES HERZ, ENTTÄUSCHT VON TUBERKULÖSEM EHEMANN und die Übrigen aus weißgespülten Venusmuschelschalen feierlich die Buchstaben MISS LONELYHEARTS , als schmückten sie den Rasen eines Kleinstadtbahnhofs.
Er merkte nicht, wie Goldsmith herbeigewatschelt kam, bis ein schwerer Arm wie eine Prügelfalle auf sein Genick niederfiel. Brummelnd machte er sich los.
Sein Ärger amüsierte Goldsmith, der lächelte und seine fetten Wangen wie zwei Rollen glatten rosa Toilettenpapiers aufblies. «Na, wie geht’s dem Säufer?», fragte Goldsmith, Shrike nachahmend.
Miss Lonelyhearts wusste, dass Goldsmith gestern für ihn die Kolumne geschrieben hatte, sodass er seinen Ärger verbarg, um sich dankbar zu zeigen.
«Keine Ursache», sagte Goldsmith, «es war ein Vergnügen, deine Post zu lesen.» Er zog einen rosa Umschlag aus der Tasche und warf ihn auf den Tisch. «Von einer Verehrerin.»
Er zwinkerte, indem er ein dickes graues Lid langsam und genüsslich über ein feuchtes verdrehtes Auge herunterließ.
Miss Lonelyhearts griff zu dem Brief.
Liebe Miss Lonelyhearts!
Ich bin keine gute Schreiberin, drum wüsste ich gern, ob ich mit Ihnen einmal sprechen kann. Ich bin erst 32 , aber ich habe in meinem Leben eine Menge Sorgen und bin unglücklich mit einem Krüppel verheiratet. Ich brauche guten Rat aber kann meinen Fall in einem Brief nicht schildern weil ich im Briefeschreiben nicht gut bin und ein Fachmann nötig wäre meinen Fall zu schildern. Ich weis Sie sind ein Mann und bin froh weil ich traue Frauen nicht. Man hat mich im Delehanty’s einmal auf Sie hingewiesen als ein Mann der die Ratgeberglossen in der Zeitung verfasst und in dem Moment wo ich Sie gesehen habe wusste ich Sie können mir helfen. Sie hatten einen blauen Anzug an und einen grauen Hut auf als ich mit meinem Mann reinkam der ein Krüppel ist.
Ich habe kein schlechtes Gewissen Sie um ein persönliches Gespräch zu bitten weil es mir fast vorkommt als ob ich Sie kenne. Also rufen Sie mich bitte an unter Bugess 7 – 7323 was meine Nummer ist weil ich dringend Ihren Rat zu meinem Eheleben brauche.
Eine Verehrerin,
Fay Doyle
Mit sehr sichtbarem Widerwillen warf er den Brief in den Papierkorb.
Goldsmith lachte ihn aus. «Wieso denn das, Dostojewski?», fragte er. «Das macht man doch nicht. Statt den Russen zu spielen und zum Selbstmord zu raten, solltest du lieber die Dame schwängern und so vielleicht die künftige Auflage steigern.»
Um ihn zu vertreiben, gab Miss Lonelyhearts vor, er hätte zu tun. Er beugte sich über die Schreibmaschine und begann seine Kolumne zu hämmern.
Für die
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