Miss Lonelyhearts
ruhig und damenhaft, denn Geld ist nicht alles, und er ist nicht mehr ein Herr, als ich eine Dame bin, der dreckige Spaghettifresser, sagte ich ihm, dass er etwas für Lucy tun sollte, wo er doch ihr Vater ist. Na, er hatte den Nerv, zu behaupten, dass er mich noch nie gesehen hätte und dass er mich einlochen lassen würde, wenn ich ihn noch einmal belästige. Das brachte mich auf, und ich fiel über den Schuft her und sagte ihm meine Meinung. Während wir uns stritten, kam eine Frau herein, die wohl sein Ehedrachen war, also schrie ich: ‹Er ist der Vater von meinem Kind, er ist der Vater von meinem Kind.› Als sie zum Telefon gingen, um einen Bullen zu rufen, nahm ich die Kleine und machte mich aus dem Staub.
Und jetzt kommt das Komischste von der ganzen Sache. Mein Mann ist ein seltsamer Kauz und tut immer so, als wäre er der Vater des Kindes und spricht mit mir sogar von unserem Kind. Na, als wir wieder zu Hause waren, fragte mich Lucy, wieso ich gesagt habe, ein fremder Mann sei ihr Papa. Sie wollte wissen, ob Doyle nicht ihr richtiger Papa war. Ich muss verrückt gewesen sein, denn ich sagte ihr, sie sollte immer daran denken, dass ihr richtiger Papa ein Mann namens Tony Benelli war und dass er mich verführt hatte. Ich habe ihr eine Menge mehr Scheiß erzählt – zu viele Filme, schätze ich. Na ja, als Doyle nach Hause kam, da sagt ihm Lucy doch als Allererstes, dass er nicht ihr Papa ist. Das machte ihn sauer, und er wollte wissen, was ich ihr gesagt hatte. Ich mochte seine hochtrabende Art nicht und sagte: ‹Die Wahrheit.› Ich schätze, ich hatte es auch einfach satt, ihn ihretwegen herumjammern zu hören. Er rückte mir auf den Pelz und versetzte mir eine Ohrfeige. So was lasse ich mir von keinem Mann gefallen, also verpasste ich ihm einen Schlag, und er holte mit seinem Stock nach mir aus, verfehlte mich aber und stürzte zu Boden und begann zu weinen. Die Kleine war auch auf dem Fußboden und heulte, und das brachte auch mich auf, und im Nu liege auch ich auf dem Boden und flenne.» Sie wartete auf seinen Kommentar, aber er blieb stumm, bis sie ihm einen Stoß mit dem Ellbogen versetzte.
«Wahrscheinlich liebt dein Mann dich und das Kind», sagte er.
«Kann schon sein, aber ich war ein hübsches Ding und hätte mir einen aussuchen können. Welches Mädchen will sein Leben mit einem mickrigen Krüppel zubringen?»
«Du bist immer noch hübsch», sagte er, ohne zu wissen warum, außer dass er Angst hatte.
Sie belohnte ihn mit einem Kuss, dann schleppte sie ihn zum Bett.
MISS LONELYHEARTS IM TRÜBEN SUMPF
Bald nachdem Mrs Doyle gegangen war, wurde Miss Lonelyhearts körperlich krank und konnte sein Zimmer nicht mehr verlassen. Die ersten beiden Tage seiner Krankheit wurden vom Schlaf ausgelöscht, am dritten Tag jedoch setzte sich seine Fantasie in Gang.
Er befand sich im Schaufenster eines Pfandhauses, das voller Pelzmäntel, Diamantringe, Armbanduhren, Schrotflinten, Angelgerätschaften, Mandolinen war. Alle diese Dinge waren Utensilien des Leidens. Ein gequältes Schlaglicht krümmte sich auf der Klinge eines Geschenkmessers, ein verbeultes Horn stöhnte vor Schmerz. Er saß in dem Fenster und dachte nach. Der Mensch hat einen Tropismus zur Ordnung. Schlüssel in eine Tasche, Kleingeld in die andere. Mandolinen sind g – d – a – e gestimmt. Die materielle Welt hat einen Tropismus zur Unordnung, Entropie. Der Mensch gegen die Natur … die Schlacht der Jahrhunderte. Schlüssel verlangt es, unters Kleingeld zu geraten. Mandolinen streben danach, sich zu verstimmen. Jede Ordnung trägt den Keim der Zerstörung in sich. Alle Ordnung ist zum Untergang verurteilt, doch die Schlacht lohnt sich.
Eine Trompete, die für 2 , 49 Dollar ausgepreist war, blies zur Schlacht, und Miss Lonelyhearts stürzte sich in den Kampf. Zunächst bildete er aus alten Uhren und Gummistiefeln einen Phallus, dann ein Herz aus Regenschirmen und Forellenködern, dann einen Rhombus aus Musikinstrumenten und Bowlerhüten, darauf einen Kreis, ein Dreieck, Viereck, Hakenkreuz. Doch nichts erwies sich als endgültig, und er begann mit dem Bau eines riesigen Kreuzes. Als das Kreuz zu groß für das Pfandhaus wurde, verlegte er es an die Küste des Ozeans. Dort vermehrte jede Welle seinen Vorrat schneller, als er die Arme des Kreuzes verlängern konnte. Seine Anstrengung war enorm. Er stolperte vom letzten Wellenstreifen zu seiner Arbeit, beladen mit dem Auswurf des Meeres – Flaschen, Muscheln, Korkstücken,
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