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Miss Lonelyhearts

Miss Lonelyhearts

Titel: Miss Lonelyhearts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathanael West
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Sie mir dass ich einige üble Dinge geschrieben habe da ich Ihnen doch eine Vorstellung davon geben musste was bei mir zu Hause los ist. Jede Frau hat doch ein Anrecht auf ein Zuhause oder? Also bitte Miss Lonelyhearts widmen Sie mir ein paar Zeilen in Ihrer Glosse wenn Sie etwas zu diesem Brief schreiben damit ich weiß dass Sie mir helfen. Soll ich meinen Mann zurücknehmen? Wie kann ich meine Kinder ernähren?
    Mit vielem Dank für jeden Rat den Sie mir geben verbleibe ich
    ergebenst
    Breite Schultern
    PS . Liebe Miss Lonelyhearts glauben Sie nicht dass ich breite Schultern habe ich will damit nur sagen dass ich so über das Leben und mich denke.

MISS LONELYHEARTS UND DER KRÜPPEL
    Miss Lonelyhearts ging Betty aus dem Weg, da er sich in ihrer Gegenwart lächerlich vorkam. Er versuchte sich immer noch an seine Demut zu klammern, und je weniger er sich mit Selbstironie sah, desto leichter fiel es ihm, sich darin zu üben. Als Betty anrief, weigerte er sich, ans Telefon zu gehen, und nachdem er sie zweimal nicht zurückgerufen hatte, ließ sie ihn in Ruhe.
    Eines Tages, etwa eine Woche nach seiner Rückkehr vom Land, lud ihn Goldsmith ein, mit ihm einen trinken zu gehen. Bei der Annahme der Einladung gab er sich so demütig, dass Goldsmith Angst bekam und ihm fast geraten hätte, einen Arzt aufzusuchen.
    Im «Delehanty’s» trafen sie Shrike und setzten sich zu ihm an die Theke. Goldsmith versuchte ihm etwas über Miss Lonelyhearts’ Zustand zuzuflüstern, doch er war sturzbetrunken und hörte nicht richtig zu. Er verstand nur zum Teil, was Goldsmith zu sagen versuchte.
    «Ich bin da anderer Meinung als du, mein lieber Goldsmith», sagte Shrike. «Nenn die nicht krank, die ihren Glauben haben. Sie sind die Gesunden. Du bist hier der Kranke.»
    Goldsmith gab keine Antwort, und Shrike wandte sich Miss Lonelyhearts zu. «Komm, erzähl uns, Bruder, wie du den Glauben gefunden hast. War es durch die Musik in einer Kirche oder durch den Tod eines geliebten Menschen oder etwa gar durch einen weisen alten Priester?»
    Die üblichen Witze verpufften wirkungslos an Miss Lonelyhearts. Er lächelte Shrike an, wie die Heiligen ihren Peinigern entgegengelächelt haben sollen.
    «Ach, wie dumm von mir», fuhr Shrike fort. «Es waren natürlich die Briefe. Habe ich nicht selber gesagt, dass die Misses Lonelyhearts im zwanzigsten Jahrhundert die Priester Amerikas sind?»
    Goldsmith lachte, und damit er weiterlachte, wandte Shrike einen alten Trick an: Er tat, als wäre er gekränkt. «Goldsmith, du bist das abscheuliche Produkt dieser glaubenslosen Zeit. Du kannst nicht glauben, du kannst nur lachen. Du nimmst alles cum grano salis , nein, mit einem ganzen Beutel Salz, und vergisst, dass Salz der Feind des Feuers wie des Eises ist. Sei auf der Hut, dein Salz ist nicht attisches Salz, es ist grobes Fleischersalz. Es konserviert nicht; es tötet.»
    Der Barkeeper, der in der Nähe stand, unterbrach ihn und sprach Miss Lonelyhearts an: «Verzeihung, Sir, aber hier ist ein Herr namens Doyle, der Sie kennenlernen möchte. Er sagt, Sie kennen seine Frau.»
    Ehe Miss Lonelyhearts noch antworten konnte, winkte er jemanden vom anderen Ende der Theke herbei. Auf das Zeichen reagierte ein kleiner Krüppel, der augenblicks zu ihnen herüberkam. Er benutzte einen Gehstock und zog beim Gehen einen Fuß in einem kastenförmigen Schuh mit einer zehn Zentimeter hohen Sohle nach. Beim Heranhumpeln machte er jede Menge überflüssiger Bewegungen wie ein beschädigtes Insekt.
    Der Barkeeper stellte den Krüppel als Mr Peter Doyle vor. Doyle war sehr aufgeregt, schüttelte reihum allen gleich zweimal die Hand und bestellte mit einer weltläufig gemeinten Gebärde eine Runde.
    Ehe er das Glas hob, musterte Shrike den Krüppel eingehend. Als er damit fertig war, zwinkerte er Miss Lonelyhearts zu und sagte: «Auf die Menschheit.» Er klopfte Doyle auf den Rücken. «Menschheit, Menschheit» 44 , seufzte er und schüttelte traurig den Kopf. «Was ist der Mensch … » 45
    Seinem Freund zuliebe unterbrach ihn der Barkeeper aufs Neue und versuchte, die Unterhaltung auf vertrautes Terrain zu lenken. «Mr Doyle liest Zähler für das Gaswerk ab.»
    «Und was für ein vortrefflicher Job das sein muss», sagte Shrike. «Mr Doyle sollte imstande sein, uns die Welt unter einem anderen Gesichtspunkt zu zeigen. Wir Zeitungsleute sind in vieler Hinsicht beschränkt, und ich höre gerne beide Seiten einer Sache.»
    Doyle hatte Miss Lonelyhearts angestarrt, als suche

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