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Miss Lonelyhearts

Miss Lonelyhearts

Titel: Miss Lonelyhearts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathanael West
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ernähren. Aber darüber will ich gar nicht schreiben. Was ich wissen will ist wieso ich mein gottverdamtes Bein durch die Straßen und runter in miefige Keller schleppe wo es mir doch die ganze Zeit bis zum Gehtnichtmehr wehtut sodass ich gegen Feierabend wahnsinnig werden könnte vor Schmerz und wenn ich nach Hause komme höre ich nichts als Geld Geld was kein Zuhause für jemand wie mich nicht ist. Was ich wissen will ist welchen Sinn zum Teufel es hat wenn man mit einem Fuß wie meinem tagein tagaus rumrennen und rumwuseln muss und das für lausige drei Mahlzeiten und die wegen dem Fuß noch mit Zahnschmerzen von dem vielen Gerenne. Der Doktor hat mir gesagt ich soll ihn sechs Monate schonen aber wer zahlt mir was wenn ich ihn schone. Aber das ist auch nicht was ich meine weil Sie könnten mir sagen ich soll mir einen anderen Job suchen nur wo soll ich einen herkriegen ich habe doch Glück dass ich überhaupt einen habe. Über den Job beklage ich mich nicht aber ich möchte wissen wozu dieser ganze Scheiß eigentlich gut sein soll.
    Bitte schreiben Sie mir Ihre Antwort nicht in der Zeitung weil meine Frau Ihre Sachen liest und ich will nicht dass sie weiß dass ich Ihnen geschrieben habe weil ich immer gesagt habe in den Zeitungen steht nur Quatsch aber ich habe mir gedacht vielleicht wissen Sie was weil Sie eine Menge Bücher gelesen haben und ich nicht einmal bis zum Schluss auf der High School geblieben bin.
    Ihr ergebener
    Peter Doyle
    Während Miss Lonelyhearts die krakelige Handschrift entzifferte, berührte Doyles Hand unter dem Tisch versehentlich die seine. Er zuckte weg, schob dann aber seine Hand zurück und zwang sie, die des Krüppels zu ergreifen.
    Nachdem er den Brief zu Ende gelesen hatte, ließ er sie nicht los, sondern drückte sie ganz fest mit aller Liebe, die er aufzubringen vermochte. Anfangs verbarg der Krüppel seine Verlegenheit, indem er so tat, als wäre der Händedruck ein Handschlag, doch bald gab er ihm nach, und stumm saßen sie beieinander, Hand in Hand.

MISS LONELYHEARTS MACHT EINEN BESUCH
    Zusammen verließen sie die Kneipe, beide arg betrunken und arg beschäftigt: Doyle mit dem Unrecht, das er erlitten hatte, Miss Lonelyhearts mit der glorreichen Errungenschaft, zu der seine Demut geworden war.
    Sie nahmen ein Taxi. Als sie in die Straße kamen, wo Doyle wohnte, begann er seine Frau und seinen verkrüppelten Fuß zu verfluchen. Er betete zu Christus, beide zur Hölle zu schicken.
    Miss Lonelyhearts war sehr glücklich und rief im Geiste ebenfalls Christus an. Doch sein Ruf war kein Fluch, sondern der Ausdruck seiner Freude.
    Als das Taxi am Straßenrand hielt, half Miss Lonelyhearts seinem Gefährten heraus und führte ihn in das Haus. Sie machten mit der Haustür eine Menge Lärm, und Mrs Doyle kam in die Diele heraus. Bei ihrem Anblick begann der Krüppel wieder zu fluchen.
    Sie begrüßte Miss Lonelyhearts, packte dann ihren Mann und schüttelte ihn, bis ihm die Luft wegblieb. Als er verstummt war, bugsierte sie ihn in ihre Wohnung. Miss Lonelyhearts folgte, und als er an ihr vorbeiging, kniff sie ihn in den Hintern und lachte.
    Nachdem sie die Hände gewaschen hatten, setzten sie sich zum Essen hin. Mrs Doyle hatte schon früher am Abend gegessen und bediente sie jetzt. Als Erstes stellte sie eine Flasche billigen italienischen Rotwein auf den Tisch. Als sie beim Kaffee angekommen waren, setzte sie sich neben Miss Lonelyhearts.
    Er konnte fühlen, wie sie ihr Knie gegen seines drückte, aber er achtete nicht auf sie und unterbrach sein seliges Lächeln nur zum Trinken. Das schwere Essen hatte ihn abgestumpft, und verzweifelt versuchte er, von Neuem zu fühlen, was er gefühlt hatte, als er mit dem Krüppel in der Kneipe Händchen gehalten hatte.
    Sie schob ihren Schenkel unter den seinen, aber als er immer noch nicht reagierte, stand sie unvermittelt auf und ging ins Wohnzimmer.
    Sie folgten ihr einige Minuten später; sie machte gerade Highballs aus Whisky und Ginger Ale.
    Alle tranken schweigend. Doyle wirkte schläfrig, und seine Frau war schon angetrunken.
    Miss Lonelyhearts machte keinen Versuch der Geselligkeit. Er war damit beschäftigt, eine Botschaft zu ersinnen. Wenn er den Mund aufmachte, musste es in Form einer Botschaft sein.
    Nach dem dritten Highball begann Mrs Doyle Miss Lonelyhearts ganz ungeniert zuzuzwinkern, doch der weigerte sich immer noch, ihr die mindeste Beachtung zu schenken.
    Den Krüppel jedoch beunruhigte ihre Mimik stark. Er wurde hippelig und

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