Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
Vom Netzwerk:
das Risiko einer Gefährdung gab, dann hieß das doch, man hatte überhaupt noch nichts entdeckt. Und wenn er dann einfach Knall auf Fall von dem Gewohnten abwich, konnte dies etwaige Vermutungen bestärken. Aber wer verdächtigte ihn? Agenten, welche für die Behörden arbeiteten, die für die inneren Angelegenheiten des Landes zuständig waren? Spione, die mit dem Militär in Verbindung standen? Jede Regierung, egal ob Royalisten oder Republikaner, hatte »geheime Abteilungen« und »Ämter für öffentliche Sicherheit«, deren Aufgabe darin bestand, Landesfeinde unschädlich zu machen. Sie arbeiteten hinter verschlossenen Türen, und oftmals honorierten die offiziellen Organe des Landes ihre Arbeit nicht. Die in diesem Bereich Tätigen waren meist überaus hartnäckig, sobald sie auf eine heiße Spur stießen. Es konnte sogar sein, dass sie in diesem Moment im Anmarsch waren oder auf seine Rückkehr nach Hause warteten, um ihn … zu inhaftieren. Wie ein Narr stünde er da, wenn er blindlings in die Falle liefe, und er brüstete sich damit, kein Narr zu sein.
    Er lief um die Rasenfläche herum und machte sich auf den Rückweg. Die Kälte kroch ihm bis in die Glieder, obwohl er zügig ausschritt. Er freute sich auf seine gemütliche Wohnstube. Ein heißes Getränk, eine halbe Stunde vor dem Feuer und dann zu Bett gehen, so lautete sein Plan. Es ging doch nichts über eine ausgiebige Nachtruhe, um sich zu beruhigen. Genau das brauchte er. Morgen würde er weitersehen.
    Als er in die Gasse einbog, konnte er die Fassade seines Hauses bereits erkennen. Er griff in die Manteltasche, um nach dem Hausschlüssel zu suchen: Münzen, Schnupftuch, ein Bleistiftstummel. Warum fand er den Schlüssel immer als … Dann starrte er auf das Licht, das aus einem der oberen Fenster kam. Aus seiner Kammer. Er war sich sicher, dass er die Kerze dort gelöscht hatte.
    Ohne den Blick vom Fenster abzuwenden, wechselte er geschwind die Straßenseite. Die Vorhänge waren zugezogen, aber … Eine kleine Bewegung, ein Schatten, es wurde dunkler und dann wieder heller, als ob jemand zwischen Kerze und Fenster vorbeigegangen war. O Gott! Sie waren gekommen, um ihn zu holen!
    Für einen Augenblick stand er starr vor Angst, dann hockte er sich hin und krabbelte hinter eine niedrige Mauer. Plötzlich überkam ihn Atemnot, und er musste sich gegen das Mauerwerk lehnen. Der Schweiß lief ihm über das runde, glänzende Gesicht. Vorbei war es mit seiner ausgiebigen Nachtruhe und dem Entschluss, erst am nächsten Morgen eine Entscheidung zu treffen. Er musste weg - auf der Stelle -, bevor ihn jemand sah. Es folgte eine weitere fieberhafte Suche in den Taschen. Ja, seine Geldbörse war da, Gott sei Dank! Aber wo sollte er hin? Nach London? Und wie konnte er um diese Uhrzeit dorthin gelangen?
    Mach dir darüber jetzt keine Sorgen , sagte er zu sich selbst. Mach dich einfach auf den Weg! Nach einem vorsichtigen Blick nach links und rechts schlüpfte er durch eine schmale Lücke gegenüber seinem Haus und verschwand in der Dunkelheit.

15
    Manche Menschen machen frühmorgens einen müden oder unansehnlichen Eindruck oder fühlen sich zumindest so und brauchen mehrere Stunden, ehe sie in Bestform sind. Nicht so Lady Armitage. In hellem Nachtgewand und Morgenmantel, mit einem über die Schultern drapierten indischen Schal sowie einer mit Spitzen verzierten Nachthaube, die ihre blonden Locken nicht ganz verdeckte, bot sie ein Bild nachlässiger Eleganz. Ihre morgendliche Laune war ebenso mustergültig wie ihre Aufmachung, und als sie nun an ihrer heißen Schokolade nippte und in ihrem Ankleidezimmer aus dem Fenster auf den Garten hinunterblickte, war sie besonders guter Stimmung. Seit ihre Töchter der Kinderstube entwachsen waren, frühstückte sie oben, denn sie mochte ihr wildes Herumtoben nicht. Das eine oder andere Mal gipfelte dies darin, dass sie Hunde, Schlangen oder gar frisch gefangene Fische mit ins Speisezimmer gebracht hatten. Sie schätzte nicht nur morgendliche Ruhe, sondern auch die Gelegenheit, wichtige Dinge in trauter Zweisamkeit mit ihrem Gemahl zu besprechen, bevor dieser von seinen eigenen Geschäften in Beschlag genommen wurde.
    »Mein Lieber«, sagte sie und reichte Sir William einen mit Butter bestrichenen Toast auf einem Teller, »findest du nicht, Susannah sieht seit unserer Rückkehr aus Fordham prächtig aus?«
    SirWilliam stimmte ihr zu, hatte er doch stets eine hohe Meinung von der Schönheit seiner Tochter. Er erkannte jedoch,

Weitere Kostenlose Bücher