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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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weißt schon … wie mit Tentakeln oder Greifarmen, oder wie auch immer die heißen.«
    »Bitte, echauffiere dich nicht«, bat Lady Armitage eindringlich. Man sah ihr an, dass sie seine Bemerkungen ebenfalls sehr seltsam fand. »Es ist ja noch nichts fest vereinbart. Mich dünkt nur, es wäre keine schlechte Idee, die Dinge nicht einfach so … in der Schwebe zu lassen. Susannah wird sich wohler in ihrer Haut fühlen, wenn man ihr hier, in ihrem Zuhause einen Antrag macht. Wenn ich schreibe und einen Vorschlag mache, dann nur für einen ganz zwanglosen Besuch. Er wird ihn sicher nur zu gern annehmen, dessen bin ich mir ganz gewiss.«
    »Nein, diese jungen Romeos lassen sich durch nichts aufhalten. Es ist aber verflixt schwer für den armen Bobs, wenn wir den anderen Kerl hier mit offenen Armen willkommen heißen, während er auch hier ist. Das wäre … Salz in seine Wunde.«
    »Er wird es überleben«, meinte Lady Armitage achselzuckend, und sie wiederholte mit Nachdruck, sie wolle Mr. Grantley Molton umgehend schreiben. Und in der Zwischenzeit mussten sie tunlichst darauf achten, dass Holland und Susannah nicht zu engen Kontakt miteinander pflegten und sich keinesfalls ungestört sahen. Eine Liebeserklärung zum jetzigen Zeitpunkt wäre äußerst verhängnisvoll. Lady Armitage verließ sich dabei darauf, dass ihr Mann die hierfür erforderlichen Maßnahmen ergriff. Sie bedachte ihn noch mit einem vielsagenden Blick, bevor sie sich dazu herabließ, ihm nachzuschenken.
    »Ja, ja, schon gut«, erwiderte Sir William, dem sehr daran gelegen war, die ganze Affäre hinter sich zu bringen.
     
    Während Sir William und Lady Armitage die Geschicke der jüngeren Mitglieder ihrer Familie zu lenken suchten, schienen Mary Finch und Mrs. Tipton weitaus weniger ambitionierten Beschäftigungen nachzugehen. Sie saßen nämlich gerade inmitten der Kirchengemeinde von St. John the Divine und warteten darauf, dass Mr. Hunnable die richtige Stelle in seinen Aufzeichnungen fand, um mit der Predigt zu beginnen. Doch bekanntlich trügt bisweilen ja der Schein. Durch viele Generationen hindurch war die Kirchenbank der Tiptons Schauplatz von Freude, Leid, Langeweile und sogar einer gewissen religiösen Hingabe gewesen, doch nur selten wurde sie Zeuge einer nur mit großer Mühe im Zaum gehaltenen, rein weltlichen Unruhe wie an diesem Sonntagmorgen. Nachdem sie das Geheimnis des Alphabets in den Kommentaren entdeckt und die verschlüsselten Texte übersetzt hatte, schlief Mary tief und fest. Doch jetzt war sie begierig darauf, den nächsten Schritt zu tun. Mr. Hunnables Ausführungen über den guten Samariter schenkte sie kein Gehör, und zudem musste sie der drängenden Versuchung widerstehen, sich umzublicken, um zu sehen, ob Mr. Déprez bereits die Kirche betreten hatte. Als die Gemeinde sich schließlich erhob, um »Awake Our Souls!« zu singen, wandte sie sich schließlich doch um, sah aber nichts weiter als die Weste des wuchtigen Mannes direkt hinter ihr. Der fasste Marys Blick als Kritik an seinen Sangeskünsten auf, und da er ein Sturkopf war, sang er daraufhin mit noch größerer Inbrunst.
    Endlich neigte sich der Gottesdienst dem Ende zu, und Mr. Hunnable sprach den Segen. Mary wandte sich rasch um, versuchte an dem lauthals singenden Mann vorbeizusehen und hätte sich gar aus der Bank gestohlen, wenn sie nicht eine Hand herzhaft am Unterarm gepackt und so davon abgehalten hätte. Mit einem verlegenen Lächeln wandte sie sich wieder Mrs.Tipton zu und half ihr beim Aufstehen. »Nehmen Sie sich in Acht«, warnte diese, als Mary ihr die Stöcke reichte. »Wenn Sie den Kopf verlieren, dann werden Sie bestimmt auch alles andere verlieren.«
    »Ja, Sie haben ganz recht«, pflichtete ihr Mary bei und versuchte, ihren ernsthaftenTonfall beizubehalten, während sie bereits einen vielsagenden Blick zu Mr. Déprez hinübersandte, den sie einige Reihen weiter hinten erspäht hatte. »Es tut mir leid.«
    »Er ist sehr aufmerksam, gewiss«, bemerkte Mrs. Tipton, »und Sie könnten eine schlechtere Partie machen, als den reichsten Mann von St. Lucia zu ehelichen. Zumindest hat mir das Mr. Somerville so zugetragen.«
    »Wie bitte? Oh.« Diesen Aspekt hatte Mary schon fast vergessen. Er drang ihr jedoch wieder stärker ins Bewusstsein, als Déprez ihr zulächelte und mit einer flüchtigen Geste auf den rückwärtigen Teil der Kirche wies. Die Aussicht, ihm zu imponieren, verlieh dem, was sie ihm mitzuteilen hatte, noch mehr Glanz. »Verzeihung,

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