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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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Postsäcke. Tiere und Menschen wirkten gleichermaßen erschöpft von der langen Reise. Doch während Erstere nur für ihren Stall zu begeistern waren, versuchten die Menschen, sich zu sammeln, um das noch zu Erledigende in Angriff zu nehmen. Jacobson schien darin recht gewandt zu sein. Hut undTasche fest umklammert, kletterte er flink aus der Kutsche. »Leben Sie wohl, Gentlemen, und Ihnen beiden noch einen schönen Morgen«, rief er, winkte und stob davon. Dann wurden die Postsäcke heruntergereicht, und ein neugieriger Postbeamter spähte durchs Fenster. »Zum Spread Eagle, Gentlemen?«, rief der Kondukteur und pochte donnernd auf das Kutschendach. »Ja, wir fahren bis zum Spread Eagle.« Holland antwortete mit einem Klopfen und rief: »Weiterfahren.« Die Kutsche wendete mühelos, und bald ratterten sie zurück in Richtung Gracechurch Street.
    Holland logierte nicht oft in London, aber wenn, dann quartierte er sich meist im Spread Eagle ein. Das Gasthaus war sauber und günstig. Ferner gab es von dort aus eine gute Kutschverbindung nach Woolwich sowie zu den wichtigsten Stationen im Norden und Osten. Bald sprang er aus dem Wagen und trat rasch in das gut gefüllte vordere Fremdenzimmer; Déprez folgte dicht hinter ihm.
    »Organisieren Sie Ihre Weiterfahrt nach Woolwich?«, wollte Déprez wissen.
    Holland antwortete ihm über die Schulter: »Nein, nach Waltham Abbey. Zu einer unserer Pulvermühlen - eine staatliche Mühle - etwa zwölf Meilen nördlich von London.«
    »Aber warum...«
    »Falsche Wörter, darum. Ich glaube, Miss Finch hat bei der Entschlüsselung einen Fehler gemacht. Sie hat F und S vertauscht.«
    »Was?«
    »Ich glaube, in einem der Dokumente stand nicht, man solle einen ›Fehler‹ beseitigen, sondern ›Sehler‹. Ich muss nach Waltham Abbey fahren, um mich da zu vergewissern.« Sie waren am Tresen angekommen, und Holland wandte sich an den Wirt. »Was für Verbindungen gibt es heute Morgen nach Waltham Cross?«
    »Nun, Sir«, sagte der Wirt, während er die Fahrpläne vor sich studierte, »das Beste, was ich Ihnen anbieten kann, is der gute alte Regulator. Der geht regelmäßig wie ein Uhrwerk. Die Kutsche fährt hier bei uns um neun los und setzt Sie garantiert um Viertel vor elf in Waltham Cross ab. Ga-ran-tiert, Sir. Selbst die Postkutsche is da nich schneller.«
    »Aber wenn Sie einen Fehler entdeckt haben«, zischte Déprez. »Warum haben Sie mir das nicht gesagt?«
    »Ich sage es Ihnen ja jetzt«, erwiderte Holland und schüttelte Déprez ab, der ihn am Arm zurückhalten wollte. »Fährt davor nicht noch eine Kutsche?«
    »Nicht von hier, Sir«, erwiderte der Wirt. »Gehört sich zwar nich, die Konkurrenz schlechtzumachen, aber ich glaub nich, dass sie in diesem Fall was taugt.«
    »Warum nicht?«
    »Nun, es gibt nur noch die Kutsche um acht drüben vom Savage. Aber überlegen Sie mal: Die müssen den Ludgate Hill rauffahren, was um die Zeit fast unmöglich is, also verpassen Sie wahrscheinlich die Postkutsche oder kriegen keinen Platz mehr. Obendrein fahren die im Schneckentempo, und letzte Woche haben sie, wie ich gehört habe, nördlich von Hoxton ein Rad verloren. Die warten ihre Kutschen nicht richtig, drüben im Savage, das is mal sicher.«
    »Haben Sie noch einen Platz im Regulator?«
    »Zwei Plätze«, korrigierte ihn Déprez. »Sie fahren nicht ohne mich«, teilte er Holland mit, woraufhin der mit den Achseln zuckte. »Wie Sie meinen.«
    »Dann also zwei Sitzplätze, Sir«, sagte der Wirt strahlend. »Inwendig, natürlich.Wenn Sie bitte durchgehen! Is noch Zeit für ein warmes Frühstück. Gibt doch nichts Besseres als eine herzhafte Mahlzeit, um sich für die Reise zu stärken.«
    Holland hatte nicht die Absicht, sich zu stärken, deshalb begab er sich in den Warteraum. Déprez war jedoch immer noch nicht zufrieden mit der mürrischen Erklärung seines Reisegefährten. »Seit wann wissen Sie, dass Miss Finch ein Irrtum unterlaufen ist?«, forschte er nach und dirigierte Holland in eine ruhige Ecke. »Haben Sie das schon mit ihr besprochen?«
    Holland schüttelte den Kopf. »Das weiß ich jetzt nicht mehr so genau. Deshalb fahre ich ja nach Waltham Abbey. Um es herauszufinden.«
    »Aber warum haben Sie das für sich behalten? Ich bin ganz offen mit Ihnen gewesen, und trotzdem...«
    »Und ich trotzdem nicht? Nun, vielleicht, weil mir das erst gestern Abend aufgefallen ist, als Sie schliefen und von Spionen geträumt haben.«
    Holland versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen, aber

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