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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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beziehen.« Da sie mittlerweile aus dem Lichtkegel der Lampe getreten waren, konnte sie Hollands Gesichtsausdruck nicht mehr erkennen.
    »Vielleicht«, gestand er ein, »vielleicht aber auch nicht. Déprez ist auch kein Alleswisser.«
    »Nein.«
    Er hielt kurz inne und legte ihr dann seine Hand auf den Arm. Als er weitersprach, schien sein Ärger verflogen zu sein, doch an der Art seiner Berührung hatte sich etwas geändert, das spürte sie ganz deutlich. Sie war weniger beruhigend als zuvor, obgleich sie sich dennoch angenehm anfühlte. »Ihnen ist ja ganz kalt«, murmelte er. »Warum haben Sie denn nichts gesagt?«
    »Mir ist warm genug, wirklich«, erwiderte sie.
    »Aber nein, Sie zittern doch. Sie sollten wieder reingehen.«
    Sein Griff war nicht fest genug, um sie zurückzuhalten, obwohl der Effekt der gleiche war. Sie sah zu ihm hoch oder besser auf seine Schulter und murmelte: »Ja, das werde ich, aber … ich wollte … ich hoffe sehr, Sie werden den Spion fangen. Und danke, dass Sie zurückgekommen sind.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Holland mit einem Lächeln um die Lippen, »es erschien mir unfair, Sie jetzt ganz aus der Sache herauszuhalten. Das wollte ich vorhin schon gesagt haben. Verdammt clever, dass Sie die Dokumente entschlüsselt haben.«
    »Nun, ich hatte ja das Buch. Vermutlich hätte damit jeder die Entschlüsselung vornehmen können.«
    Sie errötete und wurde unruhig, als er sie weiterhin festhielt. Er sah ihr tief in die Augen und beugte sich dann zu ihr hinunter.
    »Hey! Psst!« , rief jemand im Flüsterton vom Eingang herüber. Schnell richtete Holland sich wieder auf, und Mary trat einen Schritt zurück.
    »Da haben Sie einen verdammt schlechten Augenblick erwischt«, beklagte sich Holland.
    »Ich weiß, Sir, aber...«
    »Was gibt es denn, Mr. Cuff?«
    »Kommen Sie besser wieder rein, Miss Mary«, warnte er sie. »Die Missis hat nach Ihnen gefragt. Jeden Augenblick wird sie selbst herkommen, um nachzusehen. Und dann können wir alle was erleben, so wahr ich hier stehe.«
    »Ach du meine Güte«, hauchte Mary. »Natürlich, ich komme.« Mit noch immer hochrotem Kopf wandte sie sich geschwind an Holland. »Ich muss gehen, aber … bitte … seien Sie vorsichtig.«
    »Das bin ich.« Holland lächelte sie an und streifte ihren Arm. »Sie haben verdammt gute Nerven, Miss Finch. Bleiben Sie so.«

17
    Paul Déprez blickte von seinem Ipswich Journal auf, in dem er gar nicht las, und grüßte mit einem erleichterten Nicken, als Captain Holland ins Fremdenzimmer des Great White Horse trat. Déprez war im Geiste schon seine Möglichkeiten durchgegangen, für den Fall, dass Holland nicht erschien. Nun war er froh, diese Gedankenspiele aufgeben zu können. »Da haben Sie es ja gerade noch geschafft«, bemerkte er, als sich Holland zu ihm ans Feuer setzte. »Die Kutsche muss jeden Augenblick eintreffen.«
    Im Great White Horse ging es an diesem Abend ruhig zu. Wegen des schlechten Wetters waren viele der Stammgäste daheimgeblieben, und die wenigen Reisenden saßen in bequemen Nischen, bewachten ihr Gepäck und blieben unter sich. Ein aufmerksamer Beobachter hätte sich vielleicht über die Verabredung dieser beiden Männer gewundert, die scheinbar wenig miteinander gemein hatten.
    »Dachten Sie, ich würde nicht aufkreuzen?«, fragte Holland. Sein Mantel war ganz durchnässt und mit Schlamm bespritzt. Die feuchten Handschuhe streifte er ab, schob sie in die Tasche und streckte die Hände zum Feuer hin.
    Déprez saß in einem Sessel, die Beine übereinandergeschlagen. Er musste den Kopf recken, um Holland wenigstens im Profil ansprechen zu können. »Nein, aber Unfälle können immer passieren, besonders bei solch widrigem Wetter. Die Zeit reicht noch für ein Essen, wenn Sie rasch bestellen.«
    Holland schüttelte den Kopf. »Ich möchte nichts.« Dann fügte er geradeheraus hinzu: »Bei Kutschfahrten wird mir manchmal übel. Wenn ich etwas gegessen habe, ist es umso schlimmer.«
    »Oje«, erwiderte Déprez leicht verblüfft, »wie unangenehm. Ich nehme an, das ist etwa so, ähm, wie Seekrankheit.« Da Holland keine Antwort gab, fuhr er fort: »Ich … gehe davon aus, Sie konnten ein Zusammentreffen mit Mrs. Tipton vermeiden? Bei allem, was Miss Finch anbelangt, ist sie überaus fürsorglich.«
    »Das erwähnten Sie bereits.«
    Déprez ließ sich von Hollands brüskem Ton nicht beirren. »Nun, das ist ja auch durchaus verständlich. Miss Finch ist in vielerlei Hinsicht eine bezaubernde junge Dame,

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