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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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konnte. Sie hob es wieder auf und eilte in die Küche, um nach Peggy zu rufen.
    Die Magd trat aus der Spülküche und wischte sich gerade die Hände ab. »Ja, Miss, was kann ich für Sie tun?«
    »Haben Sie Mr. Cuff heute Morgen schon gesehen? Wissen Sie, wo er ist?«
    »Seit dem Frühstück habe ich ihn nicht gesehen, Miss«, erwiderte Peggy und rief dann über ihre Schulter: »Haben Sie vielleicht Mr. Cuff gesehen, Mrs. Pollock?«
    »Der is bestimmt draußen in den Ställen«, rief die Köchin. Sie knetete auf einem bemehlten Tisch Berge von Teig in Form. Dabei stiegen feine weiße Wolken auf. An Backtagen hatte sie stets schlechte Laune. »Der geht als Erstes immer da hin, sagt, er muss was reparieren, und dann ist er stundenlang wie vom Erdboden verschluckt. Da finden Sie ihn, Miss«, fügte sie hinzu und wandte sich dabei an Marys Rücken, da diese bereits wieder wegging, »raucht sicher ganz gemütlich seine olle Pfeife. Sie können ihm dann gleich sagen, hier drinnen wartet’ne Menge dringender Arbeit auf ihn.«
    Beim Gang über den Hof rutschte Mary über vereiste Stellen und brach sogar auf einer der tieferen Pfützen ins Wasser ein. Wie Pollock vorhergesagt hatte, fand sie Cuff in den Ställen, wo er mit Sally und Whiskers, Mrs. Tiptons sehr gefügigen, braven Kutschpferden, stille Zwiesprache hielt. Sally stellte die Ohren auf und schnaubte warnend, als Mary im Eingang erschien.
    Cuff schreckte hoch, als sie hereinplatzte, und nahm rasch die Pfeife aus dem Mund. Dann entspannte er sich wieder und winkte ihr freundlich zu. »Ach, Sie sind das, Miss Mary«, sagte er. »Putze nur gerade das Zaumzeug hier.Warum haben Sie es heute Morgen denn schon so eilig?«
    Mary äußerte ohne Umschweife ihre Bitte. Sie wollte den Wagen von Mrs. Tipton hinter ihrem Rücken leihen. Das klang zwar selbst in ihren Ohren riskant, aber sie durfte keine Zeit mit Erklärungen verlieren, außerdem war dafür sowieso alles viel zu kompliziert. Sie baute auf Mr. Cuffs Zuneigung zu ihr und seine Bereitschaft, wann immer möglich Mrs.Tiptons strenge Regeln großzügig auszulegen.
    Er rieb sich nachdenklich das Kinn, was darauf hindeutete, dass er ihr seine Zustimmung geben würde. »Ich schätze mal, ich könnte es riskieren, Miss.«
    »Oh, gut. Danke, Mr. Cuff. Können wir gleich losfahren?«
    »Ja, wenn wir uns beeilen. Die Missis macht um diese Zeit immer ein Nickerchen, und wenn Peggy nichts ausplaudert, könnten wir uns unbemerkt davonmachen.Wo soll’s denn hingehen?«
    »Nach White Ladies.«
    »White Ladies?« , echote Cuff ungläubig. »Warum um alles in der Welt wollen Sie denn da hin?«
    »Ich muss … dort etwas erledigen, etwas nachschauen«, erwiderte Mary. »Oh, ich kann es nicht erklären, aber es ist sehr wichtig, und es dauert auch gar nicht lange.«
    Cuff war jedoch misstrauisch geworden. Er erinnerte sie an die Schmuggler und ließ sich von ihrer windigen Erklärung, die wären sicher nicht so töricht und kehrten nach White Ladies zurück, nicht überzeugen. »Mag schon sein«, räumte er ein, »mag schon sein. Aber manche Leute sind halt dumm, meiner Erfahrung nach.Wollen Sie wirklich da hin? Nun, dann werd ich besser mal meine alte Flinte mitnehmen.«
    »Sehr gut, aber beeilen Sie sich!«
    Auf der Fahrt nach White Ladies wirkte Mary ziemlich angespannt. Sie hielt Mrs. Tiptons Exemplar von Band eins wie einen Talisman umklammert und nahm sich vor, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, bevor sie nicht die Exemplare ihres Onkels in Augenschein genommen hatte. Trotz dieses vernünftigen Vorsatzes schlug ihre Fantasie Purzelbäume. Fragen und alternative Hypothesen schossen ihr durch den Kopf. Was wäre, wenn seine Blackstone-Auflage nicht mit den Codes der verschlüsselten Dokumente zusammenpasste? Was wäre, wenn er überhaupt kein Exemplar der Kommentare besäße?
    Schließlich bereitete Cuff diesem nervenaufreibenden Gedankenspiel ein Ende. »Da sind wir, Miss«, rief er vom Kutschbock aus. Und zu sich selbst murmelte er: »Und es läuft einem kalt den Rücken runter.«
    Mary beugte sich aus dem Fenster. Die grauen Steinmauern sahen wirklich sehr abweisend aus. »Drinnen ist es viel schöner«, versicherte sie ihm. »Fahren Sie einfach zur Rückseite des Hauses, bitte. Dort kann man uns nicht so leicht sehen. - Nicht dass hier jemand wäre, der uns sehen könnte«, fügte sie rasch hinzu.
    Vor dem hinteren Portal kamen sie ein zweites Mal zum Stehen. Mary sprang hinaus und suchte bereits in ihrer Tasche nach dem

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