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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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Schlüssel. Als sie fragte, ob man die Pferde angeschirrt lassen könne, bejahte Cuff dies, meinte aber, sie solle sich nicht allzu lange Zeit lassen.
    Dieser Ratschlag ließ sie mit dem Schlüssel in der Hand jedoch aufhorchen. »Kommen Sie denn nicht mit rein?«
    »Schätze, ich bleib besser hier beim Wagen«, erwiderte Cuff, sah sie dabei aber nicht an, »um Sie vor Eindringlingen zu schützen.«
    So hatte sich Mary das Ganze nicht vorgestellt, und von Cuffs Vorhaben war sie auch nicht gerade angetan. Nicht weil sie tatsächlich glaubte, jemand lauere im Haus, aber trotzdem wollte sie es nicht allein betreten. Sie erinnerte Cuff daran, dass Captain Holland sich ebenfalls draußen aufgehalten hatte, als er angegriffen wurde.
    »Ja, aber die müssen … ihn überrumpelt haben.«
    Die Erkenntnis, dass Cuff ebenso furchtsam war wie sie, stärkte ihre Entschlusskraft. »Also gut, dann bleiben Sie hier«, verkündete sie schließlich. »Ich gehe allein rein und … und ich bin gleich wieder zurück.« Ich habe keine Angst, sagte sie zu sich selbst.
    Doch als sie die Stufen hinaufstieg, hörte sie hinter sich seine Stimme. »Schon gut, Miss; aber hetzen Sie doch nicht so, ich komme ja mit.«
    Sie strahlte ihn an. »Danke, Mr. Cuff. Oh, und Sie haben auch eine Laterne mitgebracht. Wie umsichtig von Ihnen.«
    »Warten Sie nur mal, bis ich die Flinte geladen hab.«
    Cuff stellte sich neben Mary, als sie aufschloss, bereit, es mit allen feindlichen Mächten aufzunehmen, die ihnen drinnen auflauern mochten. Die Tür ging auf, und Mary trat über die Schwelle, während Cuff sich umdrehte, um sicherzugehen, dass in der Zwischenzeit niemand hinter ihnen herangeschlichen kam. Im Vestibül blieben sie stehen, und Mary zündete die Laterne an.
    Kurz darauf glaubte sie, ihn schnüffeln zu hören. Zunächst ignorierte sie das Geräusch, denn sie wollte nicht unhöflich sein, als er damit aber nicht aufhörte, konnte sie sich nicht verkneifen zu fragen: »Mr. Cuff, was machen Sie denn da?«
    »Ich schnuppere«, erwiderte er. »Sie glauben gar nicht, was für einen seltsamen Geruch ein Ort annimmt, wenn dort jemand eingebrochen hat oder irgendwas passiert is.« Er sah sich um wie ein in die Jahre gekommener und ziemlich zerzauster Jagdhund.
    »Und riecht alles so, wie es sollte?«
    »Ja … bisher schon.«
    War dies eine beruhigende Diagnose? Mary wusste es nicht. Sie fragte sich, ob sie mit der Zeit nicht auch irgendeinen unheilvollen Gestank wahrnahm - den Geruch von Tod und Verwesung vielleicht, der ja noch erschreckender sein konnte, als etwas mit den Augen zu sehen oder zu hören. Dennoch blieb ihr nichts anderes übrig, als weiterzugehen, wenn sie dieses Rätsel lösen wollte. »Ich werde … vorausgehen, ja?« Cuff gab eine kurze, zustimmende Antwort, und sie setzten sich in Bewegung.
    Als sie das Vestibül verließen, rief sich Mary in Erinnerung, dass ihr letzter Besuch in White Ladies schließlich überhaupt nicht schrecklich geendet hatte. Jetzt lagen wieder über allen Möbeln Abdecktücher, und das Haus sah aus, als sei es wieder in tiefen Schlaf versunken. Alles wirkte gespenstisch und war im Lichtkreis ihrer Laterne nur schemenhaft zu erkennen. Aber im Grunde genommen war es äußerst töricht von ihr, sich dadurch Angst einjagen zu lassen. »Sie müssen wissen, Mr. Cuff«, sagte sie, »das hier ist ein ziemlich schönes Haus. Eigentlich sollte ich sagen, ein sehr schönes Haus. Hier werde ich nämlich wahrscheinlich eines Tages wohnen.«
    » Wirklich, Miss? Aber Sie werden doch sicher nicht in einem so einsam gelegenen alten Kasten wie dem hier wohnen wollen?«
    »Es wäre ja nicht mehr so einsam, wenn jemand hier wohnte«, erklärte sie ihm und sprach so eher sich selbst Mut zu. Sie beschrieb ihm einen besonders eindrucksvollen Kamin, die Vertäfelung in einer der kleineren Wohnstuben, und dann gab es noch den Kreuzgang. »An einem sonnigen Tag beispielsweise - Igitt !« Als vor ihr eine riesige Spinne über die Fliesen davonhuschte, brach sie abrupt ab.
    »Was ist?«, rief Cuff erschreckt.
    »Ach, n-nur eine Spinne«, gab sie verlegen zu. »Tut mir leid, aber sie war riesig, und … ich habe mich leider erschreckt.«
    Sie ekelte sich schrecklich vor Spinnen, fuhr aber dennoch fort: »Ich glaube, sie bringen Glück.«
    »Ja, Miss«, stimmte er düster zu. »Echte Glücksbringer.«
    »Nun, hier sind wir. Das ist die Bibliothek«, hastig ging sie an der Stelle vorbei, an der die Spinne gesessen hatte. Dann öffnete sie

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