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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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komplizierter statt einfacher.
    Um sich abzulenken, beschäftigte sie sich wieder mit den verschlüsselten Papieren, die Hudson ihr gegeben hatte. Wie bei den Dokumenten aus White Ladies wies auch hier jedes in der Ecke eine Zahlenfolge auf. Sie blickte zu Hudson, der jedoch Hicks zuhörte. Also schlug sie den vierten Band der Kommentare auf Seite 412 auf, wo ihr der Satz, der in der vierundzwanzigsten Zeile begann, den alphabetischen Schlüssel für das erste Dokument liefern würde.
    Mary arbeitete geschwind, denn die Aufgabe war ihr vertraut, zudem umfassten mehrere der Dokumente nur ein paar Zeilen. Was sie enthüllten, bot jedoch keine anregende Lektüre. Größtenteils bestanden sie aus Anweisungen und Empfangsbestätigungen für Informationen. Einige der Hinweise verstand sie, oder erkannte sie zumindest wieder, wie beispielsweise Bischof Watsons Experimente mit Holzkohlendestillation und ein Treffen der Mühleneigentümer, um über Produktionsquoten zu sprechen. Die Erwähnung von William Tracey in einem der Dokumente überraschte sie nicht, auch nicht die Anweisung, bestimmte Testergebnisse am »üblichen Ort« zu hinterlegen. Andere Botschaften waren weniger eindeutig. Zwei davon bezogen sich ausdrücklich auf Woolwich. Darin wurden ihr unbekannte Namen von Offizieren erwähnt. Wer waren diese Männer? Reichten sie ebenfalls Informationen weiter? Es sah jedenfalls so aus, als ob der Kreis der Verschwörer sehr groß wäre.
    Nach Beendigung der Entschlüsselung eines Dokuments legte sie es zur Seite und wandte sich dem nächsten auf dem Stapel zu. Im letzten hatte man, wie sie feststellte, den gleichen Schlüssel wie in einem anderen Dokument benutzt, welches sie bereits übersetzt hatte: 4, 266, 20. Das machte die Sache auf jeden Fall einfacher, und sie zog das Alphabet wieder hervor, um es nochmals zu verwenden.
    In Windeseile schrieb sie die Worte nieder: FRAGE OB WARREN INFORMATIONENVON NEULICHVOLLSTAENDIG BESTAETIGUNG ERBETEN VON … Die nächsten Buchstaben gingen ihr langsamer von der Hand: HOL. Sie hielt inne. Dann biss sie sich auf die Unterlippe und zwang sich, die Buchstaben L und A zu schreiben. Sie vergewisserte sich noch einmal, aber es nützte nichts: Die letzten Buchstaben lauteten N und D. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie auf das Wort schaute. Dann ließ ihre Konzentration nach, weil jemand ihren eigenen Namen nannte, und sie blickte auf.
    »… als Miss Finch für unser Unterfangen die wichtigste Hilfe beisteuerte«, schloss Hicks.
    »Miss Finch«, echote Hudson. »Ja.« Er notierte noch etwas, hielt dann inne, den Stift in der erhobenen Hand, und blickte sie forschend an.
    Sie wandte sich ihm mit bleichem Gesicht und erstarrter Miene zu. Worüber die beiden gesprochen hatten, wusste sie nicht. Auch war ihr nicht klar, welchen Beitrag man nun von ihr erwartete. »Ich glaube, Sie sollten sich das hier einmal ansehen«, murmelte sie. Zwar war es ihre Pflicht,Verrat aufzudecken, aber sie fühlte sich selbst wie eine Verräterin. »Und … es werden auch noch andere Namen genannt.«
    Hudson las die Dokumente rasch durch. Nachdem man ihm versichert hatte, dass die Übertragungen korrekt waren, schob er sie über den Schreibtisch.
    Hicks schnappte sie sich. Beim Lesen kniff er die Augen zusammen. »Das hier beweist meine Annahmen«, rief er aus. »Holland muss unser Mann sein, und damit haben wir wenigstens eine hochrangige Verbindung innerhalb des Regiments. Und diese anderen Namen - MacLeod und Shrapnel -, das scheinen weitere hohe Offiziere zu sein. Meine Güte, was für ein Fund!«
    »Halt! Halt!«, warnte ihn Hudson. »Vielleicht schafft das eine Verbindung, aber andererseits kann jeder Halunke den Namen eines ehrenwerten Mannes auf ein Stück Papier kritzeln.«
    Hicks hob zu sprechen an, besann sich dann aber eines Besseren und fuhr sich stattdessen mit der rauen Hand über das Kinn. »Das stimmt«, gab er leise zu. Damit reichte er Hudson die Dokumente zurück.
    »Andererseits«, fuhr Hudson fort, »taucht der Name eines ehrenwerten Mannes auch nicht grundlos zwischen den Papieren eines Verschwörers auf. Wir müssen unbedingt Joseph Sehler finden, aber bis dahin … Ja? «, er hielt gereizt inne, weil ihn ein Klopfen an der Tür unterbrochen hatte.
    »Pardon, Sir«, murmelte ein Kollege, »aber die Jungs sind von ihrer nächtlichen Streife zurück, und ich dachte, Sie wollen das hier bestimmt sehen.«
    Er übergab Hudson eine Akte, die dieser stirnrunzelnd las.
    »Verdammt,

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