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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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und unterdrückte dabei ein Gähnen. »Ich werde mich … sehr wohlfühlen hier.«
    »Viel Schlaf, das brauchen sie«, versicherte Peggy ihr und blickte nun weniger streng drein. »Gute Nacht, Miss, und angenehme Träume.«
    Die Tür fiel ins Schloss, und Mary löste ihre Haare. Für andere Dinge fehlte ihr indes die Kraft. Kurze Zeit später beendete ein Klopfen an der Tür ihre Träumerei. Sie dachte, es sei Peggy mit einer letzten Frage oder noch einem heißen Getränk, und war erstaunt, Holland im Korridor vor sich stehen zu sehen. Als er sie sah, lächelte er und legte den Zeigefinger an den Mund.
    »Ich wollte mich nur vergewissern, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist«, fragte er verhalten.
    »Ja, danke. Ich meine... Wir sind hier doch sicher, oder? Die würden doch nicht …«
    »Aber nein. Wahrscheinlich sind die froh, uns losgeworden zu sein.«
    Das ergab für Mary zwar wenig Sinn, aber sie nickte dennoch und sagte, sie sei nicht wirklich beunruhigt. Gelogen war das nicht, denn eigentlich merkte sie in diesem Moment viel eher, dass sie wieder hellwach war. Wie konnte sie geglaubt haben, schlafen zu wollen? Lächerlich. Aber er ging jetzt doch nicht weg, oder? Sie bemühte sich, etwas zu finden, um das Gespräch in die Länge zu ziehen. »Mrs. Tipton scheint … Finden Sie nicht auch, dass sie eine recht merkwürdige Person ist?«
    »Ja, da kann ich nur beipflichten.«
    Sein Tonfall, obgleich er flüsterte, brachte Mary fast zum Lachen, und sie musste sich auf die Unterlippe beißen, um ein Kichern zu unterdrücken.
    »Aber ist doch wirklich nett von ihr, uns aufzunehmen«, erinnerte sie ihn und versuchte, dabei seriös zu klingen. »Wie sonderbar es ausgesehen haben muss, wie wir hier mitten in der Nacht aufgetaucht sind.«
    Holland zuckte mit den Achseln. »Wir sorgen für gute Unterhaltung, wie sie schon sagte, ›besser als ein Theaterstück‹. Ich bin dieser Herr hier ohne politische Ansichten, dem man wie einem Hasen auf den Kopf geschlagen hat.«
    Nun konnte sie sich ein Kichern doch nicht verkneifen und fügte noch hinzu: »Aber wenigstens sind Sie nicht einer dieser ›schrecklichen Whigs‹.«
    »Wenigstens etwas«, sagte er lächelnd. »Und Sie sind die lange Zeit verschollene Verwandte. Die Rolle gibt es doch in jedem Stück, oder?«
    »Ja, ich glaube schon. › Sie sehen ihm nicht ähnlich, Miss Finch, aber das ist ja auch egal‹ .«
    Beide lachten nun und ermahnten sich gegenseitig, leise zu sein. »Pssst«, machte Mary, »sie wird Sie hören«, während er hinzufügte: »Und womöglich behaupten, ich hätte mich am Alkohol gütlich getan.«
    Mary blickte ihn schüchtern an. »Ja. Ich habe das gar nicht verstanden, was meinte sie damit?«
    »Sie meinte, sie sei eine törichte alte Frau. Es gibt eine von Holländern hergestellte Ginsorte, die sich vom englischen Gin unterscheidet. Üblicherweise heißt er ›Hollands‹, aber es gibt niemanden mit dem Namen Holland, der ihn herstellt.«
    Beide fingen wieder an zu lachen, insbesondere nachdem Mary zugegeben hatte, sie habe immer gedacht, ›Holland‹ beziehe sich auf eine Art von Leinen - ›Holland-Stoff‹ -, aber sie habe sich Holland deshalb nicht als Schneider oder Textilkaufmann vorgestellt.
    »Reden Sie ihr das nur nicht ein«, flehte Holland sie an, »sonst lässt sie mich noch die Servietten stopfen.«
    Nachdem ihre Ausgelassenheit verebbt war, fühlte sich die darauf folgende Stille immer unbehaglicher an, je länger sie dauerte. Mary spürte, wie sie errötete, sah zu Boden und bemerkte, dass sie vor dem Öffnen der Tür ihre Schuhe ausgezogen hatte und nur in Strümpfen vor ihm stand.
    Ihr lockiges Haar fiel ihr bis über die Schultern, und das Kerzenlicht ließ es an einigen Stellen kupfern und golden schimmern, sobald sie den Kopf drehte. Holland hatte ihre Locken bemerkt, ebenso wie ihre zarten Füße und Fußgelenke und den Schwung ihres Nackens, wenn sie sich von ihm abwandte. Er hatte den Mantel seiner Uniform über den Arm gelegt und rieb einen getrockneten Schlammflecken weg. Schließlich murmelte er: »Nun, dann mal gute Nacht.«
    »Gute Nacht.« Sie schien erleichtert zu sein und schaute wieder lächelnd zu ihm auf. »Und, Captain Holland?«
    »Ja?«
    »Danke.«
    Er erwiderte ihr Lächeln. »Schon in Ordnung, Miss Finch.«

8
    Mrs.Tipton war eine Frühaufsteherin, und notgedrungen galt das auch für die übrigen Bewohner von Lindham Hall. Sie erwartete jedoch keineswegs von ihren Gästen, diese Gewohnheit ebenfalls zu

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