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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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war sie lustig, eigenwillig und ausgesprochen anhänglich gegenüber denen, die sie liebte. Als Holland ihr tröstend die Hand drückte, hellte sich ihre Miene wieder auf, und sie gab sie nicht mehr frei, obgleich das bedeutete, dass er mit der Linken essen musste.
    »Da hast du ja eine ordentliche Portion auf dem Teller, Bobs«, spöttelte sie. »Willst du das alles essen?«
    »Selbstverständlich«, erwiderte er. »Es zeugt von schlechten Manieren, wenn man nicht aufisst, was einem vorgesetzt wird.«
    »Du wirst bestimmt dick und fett, wenn du das alles isst.Wie Mr. Fortescue - unser Vikar. Wenn er isst, schnappt er immer nach Luft«, fügte sie hinzu.
    »Besteht bei mir die Gefahr, dass ich nach Luft schnappe, Kräbbchen?«, fragte Holland.
    »Nun, im Augenblick vielleicht noch nicht.«
    Holland brach in schallendes Gelächter aus: »Von wegen noch nicht !«
    » Also wirklich , Charlotte«, schalt Sir William. »Ich muss mich doch sehr über dich wundern.«
    Sie inspizierte Hollands hageres Profil. »Du bist nicht wie Mr. Grantley Molton. Er ist jünger als du und hat schon Hängebacken.«
    »Deiner Meinung nach sollte ich mich nach diesem üppigen Mahl wohl körperlich ertüchtigen«, erwiderte Holland. »Nun, wie wär’s, wenn wir morgen früh zusammen ausreiten?«
    »O ja«, rief Charlotte begeistert, und ihre Augen strahlten. »Ich habe so viel auf Clemmie geübt und … Oh, du hast Clemmie ja noch gar nicht gesehen! Papa hat ihn mir zum Geburtstag geschenkt, und er ist einfach wunderbar.«
    Sir William schüttelte den Kopf. »Da siehst du, was ich meine, Robert: eine Amazone. Sie hat mich so um das Tier angebettelt, dass ich erst wieder in Frieden mit ihr unter einem Dach leben konnte, nachdem ich es gekauft hatte. Ich muss dir ja nicht sagen, dass wir dieses Gebettel nie wegen Büchern oder Musiknoten oder Handarbeiten zu hören bekommen, oder wegen Dingen, die für eine junge Dame wünschenswert wären. Vermutlich wird sie mir nun keine Ruhe lassen, bis ich sie auf die Jagd mitnehme.«
    »Sind Sie diese Saison schon viel auf der Jagd gewesen?«
    »Eigentlich nicht, wegen diesem verflixten Regen. Und Tom Molton ist vor Weihnachten immer ganz erpicht darauf, eine Hetzjagd auf Karnickel zu veranstalten. Nicht dass ich etwas gegen die guten alten Bräuche hätte, weit gefehlt. Sein Neffe hat eine dieser Jagdattrappen für den Vorreiter, und ich vermute, man erwartet von uns allen, ihm hinterherzujagen. Das ist jetzt groß in Mode, die Jagdkunst einem verrückten Geschwindigkeitsrausch zu opfern. Weiß Gott, wo das noch hinführt.«
    »Oh, aber Papa, es braucht doch eine Menge Können beim Querfeldeinreiten«, wandte Charlotte ein. Sie vollführte einen eleganten Trab auf ihrem Stuhl und blickte dann gebannt über ihre Hände hinweg, als sehe sie vor sich gerade ein Hindernis. »Und es muss so viel aufregender sein, über einen Zaun zu springen, als herumzustehen und darauf zu warten, bis die Hunde die Fährte aufnehmen und einer der Stallburschen das Gatter öffnet.«
    »Du kleiner Frechdachs hast doch keine Ahnung davon«, bekräftigte Sir William mit finsterem Blick. »Jeder, der Sprünge mit Anlauf befürwortet, ist verrückt. Springer bringen nicht nur Leib und Leben in Gefahr, sie sind auch ein verflixtes Ärgernis für die Bauern, wenn die Jäger über ihre Felder hinweggaloppieren und ihre Zäune niederreißen. Aber heutzutage will ja keiner mehr die Verantwortung für solche Dinge übernehmen - für die Kosten.«
    Diese Klage war keineswegs an Holland gerichtet, wenngleich er es dennoch so empfand. »Ich hätte sagen sollen, Sir«, erklärte er, »dass ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich mit einem der Pferde ausreite?«
    »Selbstverständlich nicht, mein lieber Junge«, sagte sein Onkel, der sogleich wieder guter Dinge war. »Denk nicht weiter darüber nach. Vermutlich können sie alle etwas Bewegung vertragen.«
    Charlotte wollte wissen, wo denn der Kanonier Drake war, und es enttäuschte sie zu hören, dass Holland ihn in Woolwich zurückgelassen hatte. Drake war sein Offiziersbursche, und manchmal begleitete er Holland, wenn dieser in Regimentsangelegenheiten unterwegs war. Bei seinem letzten Besuch in Storey’s Court hatte sich Drake einen Platz in Charlottes Herz erobert, weil er mit Jeffries über die Verwendung von Stiefelbürsten in Streit geraten war. Er hatte sich nicht nur in deftigem Soldatenjargon über Jeffries’ tyrannisches Regiment lustig gemacht, sondern anschließend auch

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