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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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noch eine bewundernswert treffende Imitation seines besiegten Rivalen dargeboten.
    »Und wie hast du von all dem gehört?«, wollte Sir William wissen. »Ich wünschte, du würdest dieses … ungebührliche Interesse an der Dienerschaft im Zaum halten. Du warst sicher wieder bei Mrs. Tompkins.«
    »Nein«, protestierte Charlotte, »ich war überhaupt nicht unten. Jane und Elsie haben mir davon erzählt, und als ich Drake gesehen habe, bat ich ihn, es mir noch einmal vorzumachen, und das hat er getan. Und es war wirklich sehr lustig - er war wirklich genau wie Jeffries.«
    »Das kann er in der Tat ganz gut«, räumte Holland ein.
    »Ach, meinetwegen«, murrte Sir William stirnrunzelnd. »Aber du sollst nicht so eine Klatschbase sein … Und erzähl um Himmels willen deiner Mutter nichts davon.«
    Als Holland einen Teil der ihm servierten Speisen vertilgt hatte, zogen sie sich in den Salon zurück. Hier spürte man die Abwesenheit von Lady Armitage am deutlichsten, denn mittlerweile befand sich alles in einem behaglichen Zustand der Unordnung, den die Hausherrin nie geduldet hätte. Sessel waren vor den großen marmornen Kamin gerückt worden, um mehr Geselligkeit zu ermöglichen, und Charlottes aufgeklappter Malkasten mitsamt Inhalt lag verstreut auf einem mit Intarsien geschmückten Beistelltisch. Auch Sir William hatte seinen Teil zur Unordnung beigetragen, denn die Zeitung lag aufgeschlagen über dem Klavierhocker, und die beiden Haushunde, Maisie und Budge, lagen ohne jedes Schuldgefühl auf einem der Sofas.
    Jeffries stellte das Teegeschirr mitten zwischen die Resultate von Charlottes künstlerischen Bemühungen, und sie schenkte allen mit leidlicher Eleganz ein. Sie wartete noch, bis Jeffries gegangen war, dann streifte sie ihre Schuhe ab und machte es sich auf der Sitzbank neben Ihrem Cousin bequem. Erst aus diesem Blickwinkel bemerkte sie seine Schnittwunden und blauen Flecke.
    »Bist du in einen Streit geraten, Bobs?«, fragte sie.
    »Nein.« Er sah sie lächelnd an. Beide wussten, je weniger er zur Antwort gab, desto mehr würde sie fragen, und keiner von ihnen hatte etwas gegen das Spiel einzuwenden.
    »Tut es weh?«
    »Nein.«
    »Es sieht aber so aus.«
    »Es tut aber nicht weh.«
    »Wann wirst du aufbrechen und gegen die Franzosen kämpfen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil man mir noch nichts gesagt hat.«
    »Nun, warum fragst du dann nicht nach?«
    »Ich soll jemanden fragen? Wen denn?«
    »Ich weiß nicht … irgendeinen General. Und außerdem heißt es jemanden. Ich soll jemanden fragen. Das weiß ich, weil ich es erst letzte Woche falsch gemacht habe, und Maman ließ es mich fünfzigmal aufschreiben, was ich ziemlich ungerecht fand.«
    Er gab lachend nach. »Das hat dir bestimmt nicht geschadet. Und wenn ich einen der Generäle fragen würde, dann bekäme ich nur zur Antwort, dass er zu wenige Soldaten hat und ja nicht einfach irgendjemand en in den Kampf schicken kann, denn wir ziehen gerade Truppen aus Bremen ab. Weißt du, wo Bremen liegt, Kräbbchen?«
    Charlotte dachte angestrengt nach. »In Irland?«
    »Irland? Zur Strafe für deine saumäßigen Geografiekenntnisse solltest du hundert Zeilen schreiben.«
    »Nun, ich finde den Unterricht sowieso langweilig«, schmollte Charlotte, »und Geografiestunden sind am schlimmsten.«
    »Das klingt nicht gerade so, als ob du in irgendeinem Fach genügend lernst, um es langweilig zu finden«, erwiderte Holland lachend, »und in Geografie solltest du wirklich zuhören. Es ist viel nützlicher als der Unterschied zwischen jemand und jemanden . Aber wenn es dich interessiert, Bremen ist eine freie Stadt nicht weit von Hannover, in der unser König herrscht, wenn er einmal genug von England haben sollte. Aber da du ein besonders kämpferisches Kräbbchen bist, kann ich dir sagen, über kurz oder lang wird es wohl zu Kämpfen auf den Westindischen Inseln kommen, das hingegen ist eine verd … eine verflixt ungesunde Gegend.«
    »Ich bin nicht kämpferisch, und warum sind die Westindischen Inseln ungesund?«
    »Weil dort überall Fieber herrscht und es schrecklich heiß ist. Manch einer, der dorthin kommt, stirbt auf der Stelle, und die meisten halten es nicht viel länger als ein Jahr aus. Du siehst also, wenn du keine Ahnung von Geografie hast, dann würdest du wohlmöglich in Wollsocken dorthin fahren, und weißt du, was dann passieren würde?«
    Er hatte eine ernste Miene aufgesetzt, und sie lachte amüsiert auf. »Nein.«
    »Dann gäbe

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