Miss Monster
sich auf die Seite, und auch Wiebke bewegte ihren Körper. Allerdings in die entgegengesetzte Richtung, so daß sich beide anschauen konnten.
Es war nicht zu dunkel im Schlafraum. Durch die hohen Fenster schien das bleiche Mondlicht. Das Metall an den Betträndern glänzte, und die Köpfe der Schülerinnen wirkten wie bleiche Gebilde, falls sie auf dem Rücken lagen und schliefen.
Eine ungewöhnliche Atmosphäre beherrschte den Raum. Als hätte jemand dünne Tücher hineingehängt, die den Schlafsaal wie große Schleier durchzogen.
»Wo warst du denn?«
Wiebke schwieg.
»Im Moor?« Brenda ließ nicht locker.
»Kann sein.«
»Das ist verboten.«
»Was kümmerte es mich.«
Brenda schluckte. »Ich würde mich nicht trauen. Ich habe gehört, daß Mister Redstone unterwegs sein soll. Hast du ihn nicht gesehen? Der geht doch bei seinen nächtlichen Touren auch immer bis ans Moor.«
»Ach ja? Tatsächlich?«
»Man hat darüber gesprochen.«
»Ist mir egal, Brenda. Mir lief er jedenfalls nicht über den Weg.«
Das andere Mädchen lachte. »Kann ich mir denken.«
»Dann hättest du auch Stoff bekommen und würdest hier nicht so ruhig liegen. Redstone ist ja ein Schwein.«
Innerlich lachte Wiebke. Wenn du wüßtest, dachte sie. Wenn du alles wüßtest…
»Stimmt es denn?«
»Sicher.« Wiebke schaffte es, ihrer Stimme einen müden Klang zu geben. Hoffentlich merkte Brenda dies, damit sie endlich in Ruhe gelassen wurde.
Es gelang ihr auch. Brenda murmelte noch was vor sich hin, und wenig später war sie eingeschlafen.
Wiebke lächelte wieder. Sie hatte kein Lust gehabt, sich die nächsten Stunden noch zu unterhalten. Vielleicht konnte sie die Augen noch einmal schließen, denn die nächsten Tage würden sie sicherlich einiges an Kraft kosten.
Sie atmete ruhig und gelassen. Die Augen hielten sie offen. Selbst an der Decke zeichnete sich der blasse Schimmer des Mondlichts ab. Ihr schien es, als wollte sie der Erdtrabant wie einen guten Freund extra begrüßen.
Zeit verstrich.
Ihre Gedanken gingen wieder auf Wanderschaft. Vor ihrem Auge breitete sich die düstere Moorlandschaft aus. Selbst am Tage wirkte sie abweisend und unheimlich. In der Nacht konzentrierte sich dies noch, da war dieser Eindruck mehr als furchtbar. Da war er so abweisend, hinzu kam der Geruch, und die Lehrpersonen hatten schon recht, wenn sie die Schüler davor warnten, das Moor zu betreten.
Andererseits hatten Verbote schon oft genug das Gegenteil von dem bewirkt.
Wie auch bei Wiebke, die ihre Hand ausstreckte und unter das Bett griff, wo der bleiche Totenschädel stand. Schon beim ersten Griff hatte sie ihn gefunden.
Sie hob ihn an und stellte ihn sich auf die Brust. Zwischen ihr und dem Schädel lag nur mehr die dünne Decke.
Wiebke starrte in sein Gesicht oder in das, was einmal ein Gesicht gewesen war. Jetzt wirkte es zerstört, aufgerissen. Sie aber empfand es trotzdem noch als schön, als herrlich und wertvoll. Das Mondlicht ließ das Gebein des Schädels leuchten. Ein heller Schimmer umgab den Kopf wie ein Kranz. Wiebke strich mit den Fingern darüber hinweg. Das Gebein kam ihr nicht einmal hart vor. Für sie war es weich, es gefiel ihr einfach, es war so glatt wie perfekt geschliffenes Holz.
Einige Male klopfte sie mit dem Finger gegen das Gebein. Ein hohler Klang blieb zurück.
Sie lächelte, dann lachte sie leise. »Ich weiß«, flüsterte sie, »ich weiß, daß du mich beschützen wirst. Du bist mir gegeben worden von einem Freund, den ich nicht kenne. Er lebt im Sumpf, er haust dort in der Tiefe, aber glaube nur nicht, daß ich mich vor ihm fürchte. Nein, das bestimmt nicht, denn…« Sie verstummte, weil sie ein typisches Geräusch vernommen hatte, das jede Schülerin kannte.
Die Tür öffnete sich.
Zwar schwang sie lautlos auf, hatte sie jedoch eine bestimmte Stelle erreicht, fing sie an zu quietschen.
Und es konnte nur eine Person geben, die mitten in der Nacht den Schlafsaal betrat.
Sie brauchte auch nichts zu sagen, allein an der Schrittfolge hörte Wiebke, daß es die Leiterin, Mrs. Paulsen, war, die ihren Kontrollgang unternahm.
Auf keinen Fall sollte sie schon jetzt den Totenschädel sehen! Wiebke versteckte ihn unter der Decke. Sie bewegte sich dabei vorsichtig, denn die Frau besaß Argusaugen. Sie merkte sehr schnell, ob jemand schlief oder nur markierte.
Sie kam durch den Mittelgang.
Jeder Schritt wirkte bei ihr wie eine Provokation. Sie setzte einen Fuß mit der Hacke auf, wobei ein hartes Geräusch
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