Miss Monster
gehört? Ich werde Sie töten!«
Ja, Redstone hatte die Sätze gehört, und er wußte nicht, was er mit ihnen anfangen sollte. Ihm fehlten die Worte für eine Antwort. So hatte noch nie jemand mit ihm gesprochen.
Er schaute Wiebke Crotano an. Vor ihm stand eine etwas pummelige Sechzehnjährige mit langen, fahlblonden Haaren. Sie war kleiner als er, ihm unterlegen, und deshalb war ihre Drohung eigentlich völlig absurd gewesen.
Dann verfing sich sein Blick in ihren Augen. Und dort las er etwas, das ihm nicht gefiel. Es war eine Drohung, ein finsteres Versprechen, das ihre Worte unterstrich. Plötzlich kam er sich lächerlich vor, weil er die Reitgerte festhielt. Er bereute es, sie geschlagen zu haben. Tief in seinem Innern verbarg sich die Furcht, doch noch verlieren zu können. Redstone ging zurück. »Das hast du doch nicht im Ernst gemeint, verdammt.«
»Doch, das habe ich!«
Er bekam wieder Oberwasser. »Und… ahm,… wie willst du mich töten? Willst du etwa einem Sumpfmonster Bescheid sagen, daß es mich auffrißt?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. Aber nicht so, als würde sie die Frage verneinen. »Es hat mit einem Sumpfmonster nichts zu tun, überhaupt nichts, denn was hier wohnt, sehe ich nicht als Monster an. Es ist das Böse, es ist…«
»Rede keinen Schwachsinn…«
»Es ist kein Schwachsinn, Redstone«, flüsterte sie und schaute gegen den Mond, der ihr vorkam wie ein guter Freund. Sie genoß sein Licht, sie merkte, daß sie die Strahlung noch nie so empfunden hatte wie in dieser Nacht. »Du darfst das Böse niemals als Schwachsinn bezeichnen. Du bist doch Lehrer, Redstone, und als Lehrer müßtest du eigentlich anders reden und mehr wissen. Tatsächlich aber weißt du überhaupt nichts. Du bist leer, du bist nur mehr eine Hülle, das ist alles. Eine leere Schote, die es nicht mehr wert ist zu leben. Du, die Paulsen und einige andere habt einen Zirkel aufgebaut, den ich zerstören werde. Ich habe mir in dieser Nacht die Kraft geholt, um es zu schaffen. Und ich werde dir jetzt zeigen, wer dich umbringt, wer mir dabei zur Seite steht, wer die immense Kraft hat, dich zu verlöschen.«
»Hast du einen Helfer?«
Sie nickte. Die rechte Hand hatte sie an ihren Rücken geführt, wo das Netz mit dem makabren Inhalt hing.
Sie zog den Gürtel durch die Schlaufen, löste das Netz, in dem der bleiche Totenkopf lag. Mit einer lässigen Bewegung schwang sie es herum, fing den Schädel mit der anderen ab, während Restone noch weiter zurücktrat.
Sekunden später lag der Totenkopf frei, und Redstone stierte ihn aus großen Augen an. »Nun?«
»Was… was ist das…?«
»Dein Mörder!«
Er reagierte reflexartig und hob den rechten Arm. Die Gerte sirrte durch die Luft, er wollte nach dem Schädel schlagen, ihn Wiebke aus der Hand dreschen.
Sie schleuderte ihm den bleichen Kopf entgegen. Über die Gerte wischte er hinweg, begleitet von einem schrillen Lachen des Mädchens. Wiebke hatte nicht einmal richtig gezielt, sie wußte, daß dieses Teil seinen Weg von sich aus fand.
Plötzlich brüllte Redstone auf. Gleichzeitig gerieten seine Beine in heftige Zuckungen. Auf der Stelle führte er einen zuckenden wilden Tanz auf, er riß die Arme in die Höhe, und seine Hände umkrallten den bleichen Totenkopf.
Am Hals hatte dieser sich festgebissen. Blut quoll aus der Wunde, rann über das bleiche Gebein, benetzte die Hände des Mannes, und Wiebke schaute diesem Kampf mit faszinierenden Blicken zu. Er schaffte es nicht mehr.
Der Schädel ruckte einige Male, als er nachbiß. Er war wie von Sinnen, er wollte Blut, er wollte vernichten, und der Lehrer fiel auf die Knie. Noch einmal schaffte er es, den Kopf anzuheben.
Wiebke war zwei Schritte auf ihn zugegangen. Da er kniete, konnte sie auf ihn hinabschauen.
Redstone hob den Kopf.
In seinem Blick lagen Angst und Flehen. Er wollte nicht sterben. Er bat durch seine Augen um Rettung. Vergeblich. Er kippte zur Seite und blieb tot liegen…
***
Das Mädchen stand vor der Leiche. Es lächelte, in den Augen zuckte Freude auf. Mit der Zunge fuhr es seine Lippen nach, dann nickte es der Leiche zu.
Sie ging hin, bückte sich und nahm den Schädel von der Kehle weg, als wäre nichts geschehen. Er hatte sich auch nicht mehr festgebissen, sie konnte ihn ohne weiteres nehmen und wieder in das Netz legen. An seinem Maul klebte des Blut des Toten.
Wiebke wollte dies nicht so lassen. Sie fand eine Pfütze und reinigte das Gebein. Erst dann war sie zufrieden und kehrte
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