Miss Monster
Schlafzimmer genommen.
Es war sehr klein und eng, lag unter dem Dach. Durch das Fenster schien der Mond, und seine Strahlen berührten den auf dem Rücken liegenden Mann.
Bracht war kein Muskelprotz, im Gegenteil. Ziemlich groß, dabei auch dünn oder hager. Auf seinem Kopf wuchs volles, dichtes, braunes Haar. Dieselbe Farbe hatte auch der Oberlippenbart, der wie eine fingerdicke Bürste über seiner leicht gekrümmten Nase wuchs.
Noch schlief er ruhig, hielt die Augen fest geschlossen, da flatterte keine Wimper, die von einer inneren Unruhe sprach.
Seine Lippen lagen aufeinander, er atmete allein durch die Nase. Ich hatte mir einen Stuhl geholt und mich neben das Bett gesetzt. Die Kanne stand auf einem zweiten Stuhl, umrahmt von der Tasse und dem Aschenbecher.
Zwar hatte ich das Rauchen stark eingeschränkt, hin und wieder aber wurde ich schwach, worüber ich mich eigentlich selbst ärgerte, aber man ist eben nicht perfekt.
Ich trank den Kaffee in kleinen Schlucken und dachte dabei an Glenda Perkins, meine Sekretärin, die für mich den besten Kaffee der Welt kochte. Ihre Klasse würde ich nie erreichen können. Ich hatte ihn sehr stark gemacht. Sirupgleich schien er meine Kehle hinabzurinnen. Aber er möbelte mich auf, vielleicht bildete ich mir dies auch ein.
Ich schaute auf die Uhr.
Ein Zufall, denn es war genau Mitternacht.
Tageswende, eine ruhige Herbstnacht mit einem bleichen Mond, gegen den ich blickte. Die Luft war sehr klar, kein Dunst durchwehte sie. Ich roch den Atem der Großstadt, der wie aus einem gewaltigen Trichter kommend in die Höhe stieg.
Es bestand aus einem Konglomerat von Gerüchen, war aber nie so frei und atemfreudig. London stank, als wäre die Stadt dabei, zu verwesen. Die Experten hatten davon gesprochen, daß das Wetter bald kippen würde. Noch stand die Luft sehr klar, irgendwann aber würde der Wind die Wolken und den Regen herbeischaffen.
Ich trank die zweite Tasse und zündete mir eine Zigarette an. Rauchend begab ich mich unter das Fenster, schaute gegen den Mond, der völlig normal aussah und nicht das Abbild eines Knochengesichts zeigte, wie wir es schon einmal erlebt hatten.
Wenn ich ihn ansah, empfand ich keine Bedrückung. Ich war auch nicht mondsüchtig und hätte auch nicht behaupten können, daß seine Strahlung meinen Schlaf beeinflußte. Ich sah ihn einfach als einen neutralen Gegenstand an, als ein Gestirn, einen Begleiter des Planeten Erde.
Andere mochten nicht so denken. Und dafür war Harry F. Bracht das beste Beispiel.
Er litt unter dem Mond, denn seine Strahlen sorgten dafür, daß sein zweites Ich hervorkam und Gestalt annahm. Bracht spürte das Böse, er merkte genau, wenn es unterwegs war, hochsensibel überkam ihn dann die Müdigkeit, gegen die er auch nicht ankämpfen konnte. Er mußte die Augen schließen und schlafen, denn nur in diesem Zustand empfing er die ersten, wichtigen Botschaften.
Ich wandte mich vom Fenster ab, drückte meinen Glimmstengel aus und trat wieder an das Bett.
Bracht hatte sich noch nicht bewegt. Nach wie vor lag er auf dem Rücken, die Arme rechts und links an seinen Körper gelegt, aber dort hatte sich etwas verändert.
Brachts Hände waren nicht mehr gestreckt. Er hatte sie zu Fäusten geballt, und zwar so stark, daß sogar die Knöchel weiß und scharfkantig hervortraten.
Er träumte.
Das Ballen der Hände war für mich der Beweis. Nur träumte Bracht noch nicht so intensiv, als daß er mir die Botschaft hätte mitteilen können. Obwohl ich es nicht erlebte oder sah, konnte ich mir vorstellen, was nun mit ihm passierte.
Sein Traum hatte Gestalt angenommen und ein zweites Ich bekommen. Vor mir lag noch immer Barry F. Bracht, aber die zweite Person besaß einen anderen Namen.
Als Zebuion, der Schattenkrieger, würde er durch Welten eilen, die noch keine Grenzen besaßen, weil sie eigentlich nur existieren konnten, wenn Menschen träumten. Dann entstanden sie aus dem Unterbewußtsein und formierten sich zumeist zu Welten, wie sie schrecklicher nicht mehr sein konnten.
Da waren sie dann die Gestalt gewordenen Ergebnisse menschlicher Alpträume.
Er zuckte zusammen.
Diesmal nicht nur an den Armen. Auch die Augenlider bewegten sich, und der Mund öffnete sich. Bracht träumte…
Gleichzeitig mußte er sich als Zebuion sehen, wie diese Gestalt Traumwelten durcheilte, Eindrücke sammelte, sie registrierte und später an das Gehirn des normalen Menschen weitergab, damit er sie in Worte umsetzte.
Was sich kompliziert
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