Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman
vietnamesischen Kaffees. Der Anruf einer schönen Frau, die sich am Abend mit einem verabreden möchte.
Ich war siegesgewiss und bester Dinge, als der Traum vom Vortag nahtlos weiterzugehen schien. Für einen Augenblick kam es mir in den Sinn, Minh von meinen Erlebnissen zu berichten. Doch dann schob ich den Gedanken beiseite. Mein Freund hatte sich auf diesem Gebiet ja selber noch keine Meriten erworben, und Huong pflegte zudem anscheinend einen fast europäischen Lebensstil. Ich fühlte mich also voll in meinem Element und glaubte, auf Minhs Meinung verzichten zu können. Am Ende würde er nur noch ein Haar in der Suppe finden oder mir moralapostolische Vorträge halten. Das konnte ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Viel wichtiger war es doch, mich aufzurüschen, zum Friseur zu gehen, ein neues Parfum zu besorgen und die Wohnung auf Vordermann zu bringen.
Selten sollte ich für meine Arroganz so bitter bestraft werden.
Wie sieht der perfekte Abend aus? Eine schöne Frau. Gutes Essen. Eine anregende Konversation und die prickelnden
Gewissheit, dass selbst das ausführlichste Gespräch nur Teil eines ausgedehnten Vorspiels ist. Ein Vorspiel, das wir im Restaurant, in Bars und schließlich in einem Café, das mit seiner schummrigen Beleuchtung die Verliebten der Stadt anlockte, genüsslich zelebrierten. Huong nahm ohne Umschweife das Tempo des Vorabends auf. Aus Worten wuchsen Berührungen, aus Blicken die ersten, zarten Küsse.
Endlich!
Endlich war ich ganz in Vietnam angekommen.
Was hatte Jürgen bei unserer ersten Begegnung im Büro gesagt: »Du brauchst drei Dinge, um in Saigon überleben zu können: ein Haus, ein Motorrad und eine Frau.«
Auch wenn das der typisch poltrige Humor meines Chefs war, steckte doch ein Funken Wahrheit darin. Ich hatte Arbeit, Freunde, Entertainment und jede Menge Dinge zu entdecken - und doch vermisste ich es, endlich einmal wieder neben einer Frau aufzuwachen.
Das würde sich heute ändern. Kein Zweifel. Es gab eine stille Übereinkunft, die nur noch nicht in Worte gefasst war.
»Wohin?«
Huong war ohne Motorrad unterwegs und saß eng an mich geschmiegt hinten auf der Vespa. Ihr Kopf ruhte auf meiner Schulter, ihr Mund war nur wenige Zentimeter von meinem Ohr entfernt, als sie mir endlich zuflüsterte: »Komm mit zu mir.«
Vor meinen Augen kamen die Drehscheiben eines Einarmigen Banditen ratternd zum Stehen:
Jackpot!
Jackpot!
Und … Jackpot!
Huong wohnte ein gutes Stück vom Stadtzentrum entfernt, noch hinter dem Flughafen, im Bezirk Go Vap. Der Motor meiner Maschine kreischte, als ich schnellstmöglich durch Saigons Straßen steuerte. Wenn wir uns einer Kreuzung näherten, drückte ich statt auf die Bremse auf die Hupe, andere Verkehrsteilnehmer umkurvten wir wie lästige Hindernisse.
Trotz dieses Schlussspurts blieb einer vernachlässigten Frage genug Zeit, sich in meinem Hirn zu melden: Was erwartete ich mir eigentlich von Huong? Eine heiße Nacht? Klar. Eine längere Affäre? Wäre nicht unangenehm. Eine Beziehung? Ich blickte in den Rückspiegel und sah ihren Kopf, der immer noch auf meiner Schulter lag. Das Licht der vorbeiziehenden Straßenlaternen erhellte in rhythmischen Abständen ihr Gesicht, bevor es genau so schnell wieder in schemenhaftem Dunkel versank. Ich versuchte, tief in mein Herz zu horchen, während ich sie so betrachtete, obwohl ich bereits wusste, dass darin kein Widerhall zu finden war.
»Da drüben musst du links in die kleine Gasse abbiegen.« Ich war froh, dass Huong mich aus meinen Grübeleien riss. Sie lotste mich durch ihr Viertel, bis wir vor einer geduckten Hütte mit morscher Holztür zum Stehen kamen. Kurz darauf nestelte sie an dem Vorhängeschloss herum, das den Eingang zu ihrer Behausung notdürftig sicherte.
Mein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Aus welchem Grund sollte eine emanzipierte, beruflich erfolgreiche und international tätige Schönheit in der schäbigsten Baracke des Landes logieren?
Ich schob meinen Roller eine kurze, steile Rampe hinunter ins Innere des Zimmers. Denn mehr war es nicht. Ein düsterer Raum. Schimmelige zehn Quadratmeter. Neben dem Bett gerade genug Platz, um mein Gefährt abzustellen. Koreanische
Schauspielstars lachten von Postern an den Wänden. Lampe. Wecker. Auf dem Boden ein paar Plastikkörbe mit achtlos hineingeworfenen Kleidungsstücken. Am hinteren Ende machte die Kammer einen Knick, hinter dem sich eine türlose Toilette verbarg.
Huong verlor kein Wort über das
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