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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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schäbige Ambiente, und auch ich war nicht hier, um über Innenarchitektur zu philosophieren. Da der Raum sowieso nicht mehr hergab, landeten wir umgehend auf dem Bett - und unsere Lippen aufeinander. Schnell war der spärliche Platz auf dem Boden mit unserer Kleidung bedeckt, und wir wälzten uns, begierig den Körper des anderen erkundend, auf der Matratze. Die offene Toilette, die schimmligen Wände, die koreanischen Posterstars verschwanden aus meinem Bewusstsein. Ich fiel und ließ mich treiben und versank in Lust und Rausch.
    Bis unvermutet eine Stimme zu mir sprach:
    »Nein. Nein. Bitte nicht. Das geht mir zu schnell.«
    Huch, ich hatte ja ein Kondom in der Hand.
    »Äh, ja … Nein …’tschuldigung … Ich dachte …«
    Meine Verlegenheit ließ sie lachen.
    »Kein Problem, Nick. Ich will es ja auch. Aber noch nicht heute.«
    »Klar … Natürlich … Wie du willst.«
    Leicht gesagt, schwer auszuhalten. Aber wenn Huongs »Heute noch nicht« auch in diesem Fall wieder »In vierundzwanzig Stunden ist es schon so weit« hieß, würde ich es ertragen können.
    Als ob sie meine Gedanken erraten hätte, turtelte sie mir ins Ohr:
    »Sei nicht traurig. Lass uns jetzt schlafen. Morgen ist auch noch ein Tag. Freu dich drauf.«

    Ich hatte ja noch keine Ahnung, wie höhnisch dieser Rat war.
     
    Da das einzige Fenster des Raumes mit Zeitungspapier abgeklebt war, erwachte ich spät. Müde lupfte ich ein Augenlid, gerade weit genug, um den Wecker ins Visier zu bekommen. Ich würde mich beeilen müssen, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen. Meine linke Hand tastete auf der Suche nach Huongs nacktem Körper hinter mich. Doch sie griff ins Leere.
    Ich drehte mich um. Keiner da. Ich sah in die Toilette. Niemand. Auch Huongs Kleidung war vom Boden verschwunden. Vielleicht besorgte sie Kaffee zum Frühstück? Doch meine Zeit reichte nicht, auf sie zu warten, und noch weniger für ein gemütliches Beisammensitzen. Darum durchforstete ich das Zimmer nach Schreibzeug, fand schließlich einen Eyeliner und alte Zeitungsseiten und schrieb Huong eine Nachricht:
    Vielen Dank für den schönen Abend. Leider muss ich schon los. Ruf mich an.
    Ich freue mich auf Dich.
    Kuss,
    Nick
    Mühsam wuchtete ich die Vespa die steile Rampe hoch und raus auf die Straße. Dann noch schnell die Tür mit dem Vorhängeschloss versperrt, das offen an einem Nagel neben dem Eingang hing, und hinein ging es in die Verkehrslawine, die träge Richtung Stadtzentrum rollte. Bis zum Büro würde es noch ewig dauern. Ich sollte besser Bescheid sagen, dass es später wird. Meine Hand glitt in die Hosentasche, doch schon
wieder bekam sie nichts zu fassen. Das Handy war weg. Ich tastete ein wenig in der leeren Tasche herum. Dann auf der anderen Seite. Dort war es auch nicht. Mir dämmerte, dass die Handlung meiner Geschichte gerade eine unliebsame Wende nahm und dass dies erst der Anfang war. Blitzartig fasste ich nach der Gesäßtasche, wo mein Portemonnaie stecken sollte, doch meine Finger fühlten nur leeren Stoff. Vollbremsung. In meiner Magengrube bildete sich ein Klumpen, der an allen Eingeweiden zog.
    Zorn - ein schlechter Ratgeber. Statt eine Sekunde über sein Handeln nachzudenken, macht man lauter sinnlose Sachen, zum Beispiel wieder an den Ort des Geschehens düsen. Eine Viertelstunde später rüttelte ich an der morschen Holztür, als hätte sich Huong dahinter verschanzt. Hatte sie natürlich nicht. Ziellos fuhr ich durch die Gassen ihres Viertels und spähte in jeden Laden und jedes Café. Zurück zu ihrer Butze. Wieder traktierte ich den Eingang, schrie und schimpfte, obwohl das von außen angebrachte Vorhängeschloss stummer Zeuge war, dass sich niemand in dem Raum befand. Einige Nachbarn begannen, meinem Treiben zuzusehen. In der Gleichgültigkeit ihrer Blicke erkannte ich, dass sie nicht zum ersten Mal einen Wüterich an dieser Türe toben sahen.
    Mitten in meine Raserei mischte sich ein weiterer Geschmack. Noch bitterer, noch widerlicher. So überwältigend, dass ich auf einmal abließ, kraftlos und zusammengefallen auf der Straße stand und mir nur noch diese eine Frage stellte:
    Wo war eigentlich mein Schlüssel?
    Ich war nie gut in Mathematik, aber die Gleichung Frau weg + Schlüssel weg = Alle meine Sachen weg stellte selbst für mich keine unlösbare Aufgabe dar. Mit Wutgeheul trat ich die Vespa an und raste nach Hause, drängelte und schubste
mich durch den Verkehr, übertönte das Knattern tausender Zweitakter mit meiner

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