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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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der Weihnachtsmann erschienen. (Weihnachten wird auch in Vietnam gefeiert. Das manifestiert sich allerdings hauptsächlich darin, dass in fast jedem Laden die Verkäuferinnen rote Zipfelmützen tragen, an denen Leuchtdioden blinken, und man einer permanenten Beschallung mit Technoversionen von Jingle Bells ausgesetzt ist).
    »Tut mir leid. Ich finde, es stinkt schrecklich. Und so was kippt ihr euch ins Essen?«
    »Natürlich. Du sicher auch. In fast jedem vietnamesischen Gericht ist Nước mắm . Wir salzen die Speisen damit.«
    »Na, hoffentlich gerate ich hier nie an einen verliebten Koch.«
    »An einen verliebten Koch?« Lien sah mich fragend an.
    »Ja. In Deutschland sagen wir, dass ein verliebter Koch oft die Gerichte versalzt. Und ehrlich gesagt würde ich gerne darauf verzichten, wenn er zum Würzen auch noch Fischsauce verwendet.«
    »Keine Angst, wir kennen so ein Sprichwort nicht«, lachte Lien. Dann sah sie wieder auf die Straße, wo fliegende Händler durchsichtige Plastikflaschen mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit feilboten. »Klasse! Wir müssen unbedingt auf dem Markt Fischsauce kaufen! Die aus Phan Thiet ist die allerbeste. Meine Mutter wird sich freuen! Und meine Tante! Meiner Tante bringe ich auch welche mit.«
    Lien drückte sich ihr Gesicht an der Scheibe platt und bemerkte
nicht, wie ich sie anblickte. Ihre kindlich anmutende Begeisterung wärmte mein Herz. Sicher: Es ging nur um so etwas Simples wie Fischsauce, doch ich spürte, dass ich hier etwas anderes sah als Naivität - dass ich einen flüchtigen Blick auf die Reinheit ihres Herzens erhascht hatte.
    Lien drehte sich um und lachte mich mit strahlenden Augen an. Ich strahlte zurück. Den Gestank nahm ich längst nicht mehr wahr.
     
    Wenige Kilometer später hatten wir das Städtchen hinter uns gelassen. Die palmengesäumte Straße schmiegte sich nun ans Meeresufer, dann schoben sich wieder Häuser zwischen uns und das Wasser. Es waren vereinzelte Strandresorts, die mit großen Schildern ihre Besucher willkommen hießen. Schließlich stoppte der Bus und setzte uns an einem Tor ab, das mit dem Eingang zum Paradies - so wie ich ihn mir vorstelle - verblüffende Ähnlichkeit hatte.
     
    Was braucht man für einen perfekten Abend?
    (Zweiter Versuch)
    a. Die perfekte Frau.
    b. Die Aussicht darauf, erstmals eine ganze Nacht gemeinsam zu verbringen.
    c. Einen Strandbungalow, von dessen Terrasse man ins Meer fallen kann.
    d. Sanftes Rauschen der Wellen.
    e. Einen Sonnenuntergang, der zu schön ist, als dass er hier eine kitschige Beschreibung verdient.
    f. Ein gutes Gespräch bei
    g. einer guten Flasche Wein.

    In meinem Kopf setzte ich ein Häkchen nach dem anderen. Alles da. Selbst eine Flasche Roten hatte ich extra aus Saigon mitgebracht. So saßen wir kurz nach unserer Ankunft auf der Veranda unseres Bungalows gemeinsam in einen Liegestuhl gequetscht, schauten aufs Wasser hinaus und sprachen den ganzen Abend, intensiver und intimer als je zuvor. Es war nicht mehr das Gerede frisch Verliebter, das vor allem darauf abzielt, den anderen zu beeindrucken. Heute würde ich sagen, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt überhaupt erst kennengelernt haben. Während die Lichter der nachts ausfahrenden Fischerboote wie eine leuchtende Perlenkette am pechschwarzen Horizont aufflammten, erzählte mir Lien vom frühen Tod ihres Vaters und den Schwierigkeiten, die ihre Mutter meistern musste, um sich mit ihrer einzigen Tochter durchzuschlagen. Wir verglichen unsere Träume und Hoffnungen, unsere Niederlagen und Erfolge, die wir zu bestimmten Lebenszeiten gehabt hatten.
    »Meinst du, es ist Zufall oder Schicksal, dass von allen Menschen auf der Welt ausgerechnet wir beide heute Abend hier zusammensitzen?«
    Lien war dem gleichen Gedanken nachgespürt, den ich bereits während der Busfahrt hatte.
    »Es ist doch unglaublich: Du bist tausende Kilometer von mir entfernt geboren. Du verlierst deine Freundin, deine Arbeit und deine Wohnung. Dann kommst du ausgerechnet nach Vietnam, lässt dir von einem Hund in die Nase beißen - und jetzt sitzen wir hier und schauen gemeinsam aufs Meer raus. Das kann nur Schicksal sein.«
    »Ich glaube, es ist Zufall. Aber ein sehr schöner.«
    »Du bist doof«, schmollte Lien. »Ich will dein Schicksal sein.« Dann brach sie in ihr leicht kehliges Lachen aus.
    »Das bist du sowieso. Ein Schicksal, dem ich nicht entrinnen kann. Hoffen wir, dass es nur Gutes bringt. Komm, darauf stoßen wir an.«
    Ich hob mein Weinglas, musste aber

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