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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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hinter einer Story her – auf Befehl. Klar, ich hoffe, daß es ‘n Knüller wird, aber nicht auf ihre Kosten, Sie Schwachkopp. Wofür halten Sie mich eigentlich – ein Sensationsblättchen?«
    Delphick spreizte die Hände und setzte sich. »Tut mir leid, Miss Forby«, begann er.
    »Wenn das ehrlich gemeint ist, können Sie mich Mel nennen.«
    »Schön. Ich bitte um Entschuldigung, Mel.«
    »In Ordnung. Alles, was ich abschicke, sollen Sie vorher zu sehen kriegen; und die kleine Unschuld da oben nehmen wir gemeinsam unter unsere Fittiche. Wissen Sie, die macht mich fertig.« Und Mel schüttelte konsterniert den Kopf.
    Nachdem auf diese Weise die Meinungsverschiedenheiten beigelegt und eine feste Basis geschaffen worden war, erklärte Delphick, es sei zwar ein diszipliniertes Vergehen, wenn er der Presse irgendwelche Informationen gäbe; in Anbetracht der Tatsache jedoch, daß Mel eine Freundin von Miss Seeton war, habe er nicht das Recht, sie aus dem Haus zu weisen. Wenn sie hier sitzen blieb, während er mit seinem Sergeant die Ereignisse der Nacht besprach, so konnte er sie daran nicht hindern.
    Mel nahm schließlich sämtliche Kissen und Decken, die sie auftreiben konnte, und machte für Bob ein Lager auf dem Fußboden, denn das Sofa war viel zu kurz. Sie waren übereingekommen, daß Miss Seeton unter keinen Umständen in ihrem Haus alleingelassen werden sollte. Delphick mußte in der Frühe nach Ashford hinüberfahren, um den Chief Inspector zu beschwichtigen. Mel wollte sich im Laufe des Vormittags bei Miss Seeton einfinden und sie, wenn sie wach war, fragen, ob sie wohl in Ashford ihre Aussage zu Protokoll geben würde. Sie schrieben einen Zettel für Martha Bloomer auf, damit sie Bescheid wußte und Miss Seeton möglichst in Ruhe ließ.
    Mel Forby und der Superintendent machten sich – unter Mels viel zu kleinem Schirm – gemeinsam auf den Weg, um den Zettel abzugeben und dann ins Gasthaus zurückzukehren.
    Bob machte sich auf seinem Lager auf ein paar Stunden schlafloser Unbequemlichkeit gefaßt.
    Miss Seeton schlief.

7
    Miss Seeton erwachte. Sie fühlte sich wohl und entspannt; aufstehen mochte sie noch nicht. Gestern abend…. langsam kehrte die Erinnerung zurück. Dr. Geldson war wirklich ein sehr guter Arzt; sie merkte gar nichts mehr von ihrem Zahn. So, und nun mal aufstehen – so faul durfte man nicht sein.
    Sie stand auf, badete, ging ins Schlafzimmer zurück und holte frische Wäsche aus dem Schrank. Einen Augenblick runzelte sie die Stirn: Wo mochten die nassen Sachen geblieben sein? Nun, darum würde sie sich später kümmern. Sie begann, sich anzuziehen und hielt dann unruhig inne. Gestern abend…. die Hände wollten nicht stillhalten. Aus einer Schublade des Frisiertisches zog sie einen Zeichenblock und Farbstifte hervor. Gestern abend…. ja, das war das richtige: sie wollte es festhalten – mit allen Einzelheiten festhalten, solange sie es noch frisch im Gedächtnis hatte. Zufrieden kauerte sie sich auf den Boden und begann mit der Arbeit.
    Als sie fertig war, legte sie den Block beiseite, ruhig und zufrieden, auch die Hände hielten jetzt still. Aber nun war es Zeit zum Anziehen. Ihr war etwas apathisch zumute, und als sie langsam auf die Füße kam, fühlten ihre Glieder sich steif an. Sicher wäre es gut, wenn sie sich – wie sagte die Sportlehrerin an ihrer Schule doch immer? – ja: wenn sie sich mal richtig ausarbeitete. Gut: Tee und Toast konnten warten; erst kamen jetzt die Übungen.
    Behutsam öffnete Mel Forby die Haustür, schlich nach oben, drückte leise die Klinke der Schlafzimmertür herunter und blickte hinein. In Strümpfen, Schlüpfer und Pullover kniete dort Miss Seeton auf dem Fußboden: Knie zusammen, Füße auseinander, so saß sie da. Der eine Arm griff über die Schulter, der andere kam ihm auf dem Rücken entgegen, die Hände waren verschränkt. Mit geschlossenen Augen und angehaltenem Atem bewegte sie beim Zählen leise die Lippen. Mel starrte sie verblüfft an.
    »Da schlag doch einer lang hin«, rief sie aus. »Was machen Sie da, Miss S.?«
    Miss Seeton öffnete die Augen und wandte ganz wenig den Kopf. Vier… fünf… Zu dumm – man durfte nicht ausatmen, und man mußte weiterzählen. Aber antworten mußte man natürlich auch. Ihre Stimme klang leicht erstickt von der Anstrengung des Zählens und Atemanhaltens, als sie erwiderte:
    »Kuhgesicht.«
    Na, das hatte man davon, wenn man persönliche Fragen stellte. Leise schloß Mel die Tür und ging nach unten.

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